Die Arbeitsministerin will die Tariffreiheit einschränken. Die geplante Gesetzesinitiative von Nahles ist unnötig, überzogen und rechtlich mehr als fragwürdig.

Piloten der Lufthansa erscheinen nicht im Cockpit. Lokführer lassen ihre Züge am nächsten Bahnhof stehen, fahren nicht weiter. Die Politik ist aufgeschreckt. In Boulevardmedien ist vom drohenden Chaos die Rede. Die Wirtschaft fürchtet – wie so oft – Milliardeneinbußen, sieht sich im Würgegriff kleiner Randgruppen. In Deutschland wird gestreikt! Einfach so. Und die Streiks führen tatsächlich zu Beeinträchtigungen des täglichen Lebens. Wo gibt es denn so etwas? Diese Zustände kennt man aus Italien oder Frankreich. Aber im gut organisierten, auf Kompromisse bedachten Deutschland? Das kann nicht sein! Das darf nicht sein! Also muss ein Gesetz her. Weil Lokführer und Piloten ein paar Mal – mit Vorankündigung – Flüge und Zugfahrten haben ausfallen lassen. Frau Nahles, übernehmen Sie!

Die Bundesarbeitsministerin hat sich selbstverständlich sofort auf die Seite der großen DGB-Gewerkschaften geschlagen. Denn diese fürchten um ihre Macht. Und dass die Wirtschaft selbstverständlich auch etwas gegen Streiks hat, kommt der SPD-Politikerin gelegen. Endlich hat sie eine breite Unterstützerfront für einen ihrer Vorschläge, was nicht häufig vorkommt. Das Ziel ist klar formuliert: Nur noch die größte Gewerkschaft soll künftig den tarifpolitischen Kurs in einem Unternehmen bestimmen. Die kleinen, meist weniger kompromissbereiten Konkurrenzgewerkschaften müssten dann folgen.

Eine Idee, die Andrea Nahles zunächst nur allgemein formuliert hat. Bis Ende des Jahres soll ein schriftlicher Gesetzentwurf folgen. Dass dieses Vorhaben nicht allzu einfach in der Umsetzung wird, ist allerdings auch der Ministerin bereits klar geworden. Schließlich genießt die Koalitionsfreiheit – also das Recht, eine Gewerkschaft zu gründen und sich dieser anzuschließen – Verfassungsrang. Doch welchen Sinn hat eine Gewerkschaft, wenn sie keine höheren Löhne oder geringeren Arbeitszeiten mehr für ihre Mitglieder durchsetzen kann? Die geplante Gesetzesinitiative von Andrea Nahles ist unnötig, überzogen und rechtlich mehr als fragwürdig. Papier, Druckerschwärze und den späteren Gang zum Verfassungsgericht sollte die Regierung sich sparen.