Karstadt braucht Investitionen, doch stattdessen wird wieder nur der Rotstift angesetzt

Es ist ein schwerer Tag für die Beschäftigten von Karstadt in Billstedt, aber auch für die anderen rund 17.000 Mitarbeiter der angeschlagenen Warenhauskette. Vieles spricht dafür, dass mit den jetzt verkündeten Schließungen von insgesamt sechs Filialen die Grausamkeiten keineswegs beendet sind, sondern gerade erst begonnen haben. Acht bis zehn weitere Häuser sollen sich in einem ähnlichen Zustand befinden wie die jetzt betroffenen. Einschnitte beim Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie ein Personalabbau werden folgen.

Dass der neue Chef Stephan Fanderl bereits jetzt, kurz vor Beginn des wichtigen Weihnachtsgeschäfts, hart durchgreift, zeigt, wie schlecht es um das Unternehmen als Ganzes steht. Zeit, um eine weitere geschäftsschädigende Diskussion um die Zukunft der Warenhäuser zu vermeiden, hat man bei Karstadt ganz offensichtlich nicht mehr. Hoffnung, dass sich die Situation in den betroffenen Häusern noch zum Besseren wenden könnte, auch nicht.

Die Situation in Billstedt zeigt beispielhaft, mit welchen Herausforderungen die Kette in der heutigen Zeit zu kämpfen hat. Die dortige Filiale liegt mitten im Einkaufszentrum, rundherum befinden sich lauter Modegeschäfte großer Hersteller, die alle mehr oder weniger das gleiche Sortiment wie Karstadt anbieten. Allerdings präsentieren sie ihre Ware oft besser und konsequenter, als dies in einem „Alles unter einem Dach“-Konzept möglich ist.

Zwar gibt es bei Karstadt auch Artikel wie Kurzwaren, Bettwäsche und Spielwaren, die in den umliegenden Läden nicht erhältlich sind, doch reicht der Umsatz mit solchen Waren kaum aus, um eine Filiale wie die in Billstedt am Leben zu erhalten.

In einem Einkaufszentrum macht ein Karstadt-Haus heute eigentlich nur noch dann Sinn, wenn es ein klar abgegrenztes Sortiment wie etwa in den Sportfilialen anbietet. Insofern ist die Schließung in Billstedt nachvollziehbar, so bitter sie auch für die dortigen Beschäftigten ist.

Anders sieht es allerdings in der ebenfalls von einer Schließung betroffenen Filiale in Stuttgart aus. In der Schwabenmetropole befindet sich Karstadt in einer guten und ausgesprochen attraktiven Lage, das dortige Haus müsste sich eigentlich rentabel führen lassen. Hier liegt die Vermutung nahe, dass sich der neue Karstadt-Eigentümer René Benko nur auf Kosten des Unternehmens und der Beschäftigten bereichern will. Benko agiert bei Karstadt nämlich in der Doppelrolle als Eigentümer der Filialen und gleichzeitig auch als Vermieter. Und als solcher soll er die Mieten so hoch angesetzt haben, dass eine vernünftige Kalkulation in der Karstadt-Filiale kaum noch möglich ist. Noch schlimmer: Benkos Immobiliengesellschaft bietet das Karstadt-Grundstück schon Filialisten als attraktiven, neuen Standort an.

Solch sachfremden Erwägungen und Profitemacherei sind aber sicher nicht geeignet, um Karstadt in eine gute Zukunft zu führen. Schon der frühere Eigentümer Nicolas Berggruen hatte entgegen seinen vollmundigen Versprechungen lediglich Geld aus dem angeschlagenen Unternehmen herausgezogen.

Benko muss nun bereit sein, in die noch bestehenden Häuser zu investieren und sie zu zeitgemäßen Einkaufsstätten zu machen. Viel zu lange sind notwendige Modernisierungen, insbesondere in kleineren Filialen wie Bergedorf oder Harburg, zurückgestellt worden. Eine Ausrichtung der kleineren Häuser als Nahversorger wie jetzt angeblich angedacht könnte in Stadtteilen, in denen es sonst nur wenig Einkaufsmöglichkeiten gibt, durchaus funktionieren. Große Häuser wie etwa das an der Mönckebergstraße oder das Alsterhaus lassen sich mit einer Ausrichtung auf hochwertige Mode und Lifestyleartikel auf jeden Fall rentabel führen.