Endlich Entschädigung für ehemalige Anstaltsbewohner

Die Schilderungen sind auch mit dem Abstand von mehreren Jahrzehnten kaum zu ertragen. Schwere Misshandlungen, sexueller Missbrauch, Zwangsfütterungen, tagelange Isolation – vielfach erfüllte der Umgang mit Heimkindern in den 1950er- und 1960er-Jahren in Deutschland den Tatbestand der Folter.

Viel zu lange haben die Opfer auf eine Geste der Entschuldigung warten müssen. Erst der „Runde Tisch Heimerziehung“ arbeitete von 2009 an das Versagen der Heime auf, sorgte für bescheidene Ausgleichszahlungen – und beging dennoch einen schweren Fehler. Aus bürokratischen Gründen klammerte der runde Tisch die Heime für behinderte Kinder aus, obwohl auch dort schwerstes Unrecht geschah. Viele Pflegerinnen und Pfleger, bestenfalls überfordert, oft genug aber sadistisch, misshandelten die ihnen anvertrauten Kinder schwer, bis hin zum Nahrungs- und Wasserentzug.

Viele Opfer sind für ihr ganzes Leben traumatisiert. Und ausgerechnet sie wurden durch den Ausschluss von Fonds-Leistungen erneut gedemütigt. Natürlich kann es für jahrelange Martyrien keine angemessene finanzielle Entschädigung geben – aber zumindest ein tätiges Zeichen der Reue, ein Signal, dass man die Schuld am schweren Leid endlich anerkennt.

Es ist gut, dass die Stiftung Alsterdorf sich für einen neuen Fonds Heimerziehung engagiert, damit diese Geste auch Bewohner, die in den früheren Alsterdorfer Anstalten gelitten haben, endlich erreicht. Der Prozess, den die Stiftung als Rechtsnachfolger der Anstalten durchlaufen hat, war schmerzlich. Schon die Aufarbeitung der Pflegeskandale in den 1950er- und 1960er-Jahren durch Historikerinnen empfanden manche ehemalige Kollegen als Nestbeschmutzung. Doch gerade diese Diskussion ist eminent wichtig, denn sie mahnt, dass nie wieder Menschen mit Behinderung isoliert leben dürfen. Mauern schützen Menschen mit einem Handicap nicht, sie gefährden sie. Auch deshalb brauchen wir Inklusion. Vor allem aber brauchen wir endlich den Fonds für die Opfer von Behindertenheimen. Wer mit ihnen nach so vielen Jahren noch feilschen will, sollte sich schämen.