Hochschule HAW handelt im vorauseilenden Gehorsam gegenüber religiösen Fanatikern.

Wer mit Gewalt seine Ziele verwirklichen will, kann dies auf dreierlei Art erreichen. Erstens ganz direkt, indem das Opfer unmittelbar gezwungen wird. Der zweite Effekt von Gewalt ist, dass schon deren Androhung bewirken kann, dass andere sich fügen. Manchmal bedarf es drittens nicht mal mehr der Drohung – wenn nämlich Menschen in vorauseilendem Gehorsam handeln, weil sie andernfalls eine negative Reaktion erwarten. Wenn dies geschieht, haben die Gewalttäter ihr Ziel erreicht, und zwar auf dem bequemsten aller Wege. Er bedeutet: Kapitulation.

So weit die Theorie. In der Praxis hat diese Kapitulation gerade stattgefunden, und zwar mitten in Hamburg. Das Präsidium der HAW, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, hat eine Veranstaltung des AStA über die Situation der Kurden verboten. Titel: „Kurdistan – zwischen basisdemokratischer Selbstverwaltung und den Angriffen des Islamischen Staates (IS)“. Begründung: Es könnten Gewalttätigkeiten der Salafisten provoziert werden. Dazu muss man wissen, dass es keineswegs Drohungen gegeben hat. Keine entsprechende Empfehlung oder Lageeinschätzung der Polizei. Allein die Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Salafisten am 7. Oktober in unmittelbarer Nähe zum Campus haben das Hochschulpräsidium zu diesem Schritt bewogen – „wegen der zeitlichen und räumlichen Nähe“. Dabei sollte die Veranstaltung erst Ende dieses Monats stattfinden.

Damit hat die HAW ein gefährliches Signal gesetzt. Aus Furcht vor der Reaktion einer verfassungsfeindlichen und gewaltverherrlichenden Gruppe religiöser Fanatiker, die alles bekämpfen, was unsere freiheitliche und pluralistische Gesellschaft ausmacht, wird eine Veranstaltung abgesagt. Wie falsch diese Botschaft ist, wird deutlich, wenn man den Vorgang zu Ende denkt. Werden also bald Diskussionsrunden mit NSU-Opfern gestoppt, wenn es ein paar Tage zuvor Ausschreitungen bei einer Nazi-Demo gegeben hat? Wird eine Debatte über Linksradikalismus nicht stattfinden, wenn es kurz zuvor zu Randale von Autonomen im Schanzenviertel gekommen war?

Und es geht ja viel weiter. Wenn Rücksichtnahme auf Salafisten beziehungsweise Angst vor ihrer Reaktion Einfluss auf unser aller Handeln hätte, dann müsste ja alles vermieden werden, was geeignet wäre, sie zu provozieren. Also würden sich Pärchen, zumindest in bestimmten Stadtteilen, nicht mehr öffentlich küssen. Dann würden Kioskbetreiber bestimmte freizügige Titel aus dem Sortiment streichen. Dann würden Frauen längere Röcke und kleinere Ausschnitte bevorzugen. Dann würden wir unsere Freiheit Stück für Stück einschränken – aus Angst.

Glücklicherweise sind wir davon noch weit entfernt. Doch umso achtsamer müssen wir sein. Und Courage zeigen, auch und gerade im Kleinen. Der Verfassungsschutz schätzt die Zahl der Salafisten in Hamburg auf 320. Also kommen auf einen Fanatiker 5500 Hamburger. Wenn wir uns davon schon einschüchtern lassen, was soll erst passieren, wenn es 3200 sind?

Die Unfreiheit kommt nicht immer mit einem plötzlichen Umsturz. Manchmal geschieht dies sehr langsam, in kleinen, kaum merklichen Schritten. Jeder für sich erscheint gar nicht so bemerkenswert, gar nicht so gravierend. Und wenn dann eines Tages die Freiheit ganz verschwunden ist, merkt man es kaum mehr – weil man sich Schritt für Schritt längst daran gewöhnt hat.

Kompromissfähigkeit macht einen guten Demokraten aus. Das gilt für weite Teile der Politik. Doch es darf niemals für Grundrechte gelten, die nicht zufällig im Grundgesetz als „unveräußerlich“ bezeichnet werden. Hier darf auch nicht ein Zentimeter nachgegeben werden: Wehret den Anfängen!