Die Eidgenossen haben einen bestimmten Artikel vor dem Staatennamen, Deutschland nicht. Manche Länder tauchen gleich im Plural auf

„Warum bekommt eine Nation wie Türkei stets einen Artikel vorgesetzt wie die Türkei oder die Schweiz?“, fragt Hans Sch. aus Norderstedt, und er fragt das nicht zum ersten Mal. Also sei’s drum, untersuchen wir die Staatennamen mit oder ohne Artikel! Wie so häufig, so entpuppt sich auch in diesem Fall eine scheinbar banale Frage, die in der Alltagssprache keinerlei Schwierigkeiten bereitet, bei genauerem Hinsehen als Angelegenheit mit diffizilem Hintergrund. Deutschland (ohne Artikel) wurde Fußball-Weltmeister, die Schweiz schied im Achtelfinale aus, und die Türkei war in Brasilien gar nicht dabei.

Unter Staatennamen wollen wir die Kurzformen der offiziellen Namen selbstständiger Staaten verstehen, wie wir sie täglich benutzen oder schreiben. Falls Sie jedoch die Absicht haben, sich beim Auswärtigen Amt für den diplomatischen Dienst zu bewerben, müssten Sie etwas formeller, eben diplomatischer, sein. Dann wäre die Schweiz nicht mehr die Schweiz, sondern die Schweizerische Eidgenossenschaft (als Eigenname mit großem „S“), und die Türkei amtlich Türkiye Cumhuriyeti, zu Deutsch Republik Türkei. Wenn ein neuer dänischer Botschafter in Diplomatenuniform im Schloss Bellevue erscheint und dem Bundespräsidenten sein Beglaubigungsschreiben überreicht, wird er als „Seine Exzellenz, der Botschafter des Königreichs Dänemark“ (Kongeriget Danmark), angekündigt. Noch eine Stufe ehrerbietiger geht es zu, wenn der Apostolische Nuntius, der päpstliche Gesandte im Botschafterrang, angesprochen wird. Obwohl er nur den kleinsten Staat der Welt, nämlich den Staat Vatikanstadt, vertritt, hat er Anspruch auf den Titel „Hochwürdigste Exzellenz“.

Da wir als das gemeine Volk im Allgemeinen keinen Zutritt zu diesen Kreisen haben und dem Diplomatischen Corps (auch: Korps), der Gesamtheit des diplomatischen Personals in einem Land, höchstens einmal zuwinken dürfen, wenn es im Bus zur Kieler Woche gefahren wird, haben wir für die meisten Staaten in der Umgangssprache Kurzformen gebildet, die, sobald sie Eingang ins tägliche Deutsch gefunden haben, auch der deutschen Grammatik unterliegen und ein deutsches Genus (Geschlecht) bilden.

Die meisten Staatennamen sind Neutra (sächlich) und werden ohne Artikel gebraucht: Deutschland unterstützt die Kurden, Frankreich verringert sein Defizit, Portugal benötigt den Rettungsschirm nicht mehr. Sie erhalten im Genitiv die Endung -s, bleiben jedoch in den übrigen Fällen endungslos: die Hauptstadt Afghanistans (Genitiv), von Dänemark (Dativ) nach Schweden (Akkusativ) übersetzen. Der Artikel ist erst recht überflüssig, wenn der Name im Genitiv vorangestellt wird: Deutschlands Beitrag, Italiens Strände. Tritt jedoch ein Attribut (eine Beifügung) hinzu, erfordert die Syntax (der Satzbau) einen Artikel: Das schöne Deutschland ist mir ans Herz gewachsen; das gebeutelte Spanien kämpft mit hoher Arbeitslosigkeit.

Einige Staatennamen sind Feminina (weiblich) und werden deshalb immer mit dem bestimmten Artikel gebraucht: die Schweiz, die Türkei, die Elfenbeinküste, die Ukraine, die Mongolei usw. Die femininen Staatennamen bleiben, wie alle Feminina, endungslos, ihr Artikel muss jedoch flektiert werden: die Schweiz, der Schweiz, der Schweiz, die Schweiz. Die Dominikanische Republik führt ein Attribut im Namen, das dekliniert wird: der Dominikanischen Republik. Manche Staaten bestehen aus mehreren Namen, Teilen oder Inseln, bleiben aber trotzdem als Staat im Singular (Einzahl): Trinidad und Tobago ist Mitglied der Fifa.

Daneben gibt es eine Gruppe von Staaten, die von vornherein im Plural (Mehrzahl) auftaucht. Diese pluralischen Namen müssen ebenfalls stets mit dem bestimmten Artikel verbunden werden: die Niederlande, die Vereinigten Staaten (die USA), die Bahamas. Das Prädikat (Satzaussage) steht im Plural: Die Philippinen bestehen (nicht: besteht) aus Tausenden Inseln; die Vereinigten Staaten greifen den IS an; die Niederlande nominieren van der Vaart.

Beachten Sie bitte, dass der Plural auch bei den entsprechenden Abkürzungen erhalten bleibt: Die USA (United States of America) schlagen zurück. Selbst die United Nations fordern die Mehrzahl: Die UN appellieren an die Türkei.

Der Verfasser, 73, ist „Hamburgisch“-Autor und früherer Chef vom Dienst des Abendblatts. Seine Sprach-Kolumne erscheint dienstags