Nobelpreis für Kinderrechtler – Malala und Satyarthi sind Vorbilder für den Frieden

Um den Frieden in der Welt müsste es 2014 eigentlich gut bestellt sein – jedenfalls wenn man die seit Jahren steigende Zahl der für den Friedensnobelpreis Nominierten als Maßstab nimmt. 278 Kandidaten standen diesmal zur Auswahl. 1971 waren es nur 39. Doch friedlicher ist die Welt keineswegs geworden. Vielleicht haben gerade die Kriege und all die bewaffneten Konflikte an den viel zu vielen Brennpunkten dieser Welt das Nobelpreis-Komitee in diesem Jahr zu einer weitsichtigen Entscheidung gedrängt: Die Auszeichnung von Politikern und Staatsmännern sollte eine Ausnahme bleiben. Als Mittel aktueller Politik ist der renommierte Preis aus dem Vermögen des Sprengstoff-Erfinders Alfred Nobel schon gar nicht geeignet.

Oder vielleicht doch? Leider kann kein Mensch die folgende, spannende Frage wirklich beantworten: Hätte sich Putin die Krim vielleicht nicht einverleibt, wenn er zuvor den Friedensnobelpreis erhalten hätte? Macht der Preis aus Wölfen vielleicht Schafe? Wohl kaum. Die Ehrung eines offensichtlich vor Gewalt nicht zurückschreckenden Machtmenschen würde am Ende nur den guten Ruf des Nobelpreises beschädigen und damit seine Aufmerksamkeit schwächen, ebenso wie die noch immer weit verbreitete Akzeptanz der Ehrung.

Zurück in die raue Wirklichkeit. Die mit 17 Jahren jüngste Preisträgerin und 16. Frau unter den bisher 103 Ausgezeichneten, die Pakistanerin Malala, und der 60-jährige Kailash Satyarthi aus Indien, sind eine gute Wahl. Beide stehen für Zivilcourage und ihren persönlichen Einsatz für das Recht eines jeden Kindes auf Bildung.

Malala ist außerdem zu einem Symbol friedfertiger Menschlichkeit geworden. Das von den Taliban geschundene Mädchen hat nie Rachegedanken gegen ihre extremistischen Angreifer geäußert, die am 9. Oktober vor zwei Jahren ihren Schulbus gestoppt hatten, um ihr in den Kopf zu schießen. Die Muslimin hält „Stifte und Bücher“ für „unsere mächtigsten Waffen“. Geballter Idealismus, verknüpft mit der Hoffnung auf stetigen Fortschritt der Menschheit. Auf lange Sicht mag der Glaube daran sogar stimmen. Kurzfristig haben aber immer wieder andere Waffen das Sagen. Deshalb muss die mutige Malala im Exil im britischen Birmingham leben, ebenso wie ihre Familie, die wegen der Bedrohung in ihrer Heimat keine Rückkehr nach Pakistan plant.

Auch der Inder Satyarthi setzt auf Gewaltfreiheit – in der Tradition des Freiheitshelden Mahatma Gandhi. Der Elektroingenieur zieht mit Fußmärschen und anderen friedlichen Aktionen mutig gegen Kinderarbeit zu Felde und rettete Tausende Kinder aus Schuldknechtschaft und Zwangsarbeit.

Dass der Hindu aus Indien und die Muslimin aus Pakistan den Preis gemeinsam bekommen, ist über ihre gemeinsamen Bildungsziele hinaus von weiterer Bedeutung. Satyarthi besitzt bei Weitem nicht die Popularität, die Malala aufgrund ihres persönlichen Schicksals und ihrer öffentlichkeitswirksamen Auftritte und Reden genießt, wie etwa an ihrem 16. Geburtstag, als sie vor den Vereinten Nationen sprach. Der weit weniger bekannte Inder mildert deshalb den in der Vergangenheit zu Recht geäußerten Vorwurf, das Nobelpreis-Komitee konzentriere sich bei seiner Auswahl der Vorbilder für den Frieden zu auffällig auf medienträchtige Personen.

Zu denen zählen einige, deren Namen 2014 ebenfalls auf der Liste der möglichen Friedensnobelpreisträger standen: Helmut Kohl, der „Kanzler der Einheit“, neben Edward Snowden, dem Aufklärer geheimdienstlicher Abhöraktionen, oder Papst Franziskus, dem Kirchenoberhaupt und Brückenbauer. Für jeden von ihnen hätten sich Lobreden leicht seitenweise füllen lassen. Aber bessere Preisträger als die Muslimin aus Pakistan und der Hindu aus Indien wären die drei Genannten bestimmt nicht gewesen.