Schleswig-Holsteins Regierungschef musste zu oft auswechseln

Abpfiff, Pause. In der Kabine hat sich das Kabinett Albig versammelt: schwitzend, schmutzig. Die Halbzeitbilanz sieht nicht gut aus. Fünf Jahre will die Küstenkoalition in Schleswig-Holstein regieren, aber nach der ersten Hälfte steckt sie ganz tief im Schlamassel. Das größte Problem heißt Torsten Albig. Sein Festhalten an der umstrittenen Bildungsministerin Waltraud Wende wirkte nur anfänglich so, wie es gemeint war: als moralisch vorbildliches Handeln eines großartigen Vorgesetzten. Später, als die Staatsanwaltschaft gegen die eigenwillige „Wara“ ermittelte, wich die Moral der Starrköpfigkeit. Albig hatte einen Fehler gemacht, hatte diesen Fehler vielleicht schon bei ihrer Ernennung zur Ministerin gemacht. Er brauchte sehr lange, um ihn zu korrigieren.

Danach gleich der zweite Fehler. Ein neuer Zuschnitt zweier Ressorts wurde notwendig, weil die Hamburgerin Britta Ernst die Wende-Nachfolge antreten sollte. Wie schneidet man was? Wandert die Wissenschaftsabteilung ins Sozial- oder ins Wirtschaftsministerium? Albig entschied das eben mal selbst, obwohl die Ressortzuständigkeiten Bestandteil des Koalitionsvertrags sind. Folge: Mindestens zwei der drei Koalitionspartner, Grüne und SSW, fühlten sich übergangen. Selbst bei der SPD grummelte es.

Schließlich der Breitner-Rücktritt. Er ist Albig nicht anzulasten. Aber er weckt Zweifel an den Fähigkeiten des Kabinettchefs. Erreicht er seine Minister noch, hat er deren Vertrauen? Aus Breitners Verhalten ist eher das Gegenteil abzulesen. Seinen Wechsel in die Wirtschaft hat er jedenfalls möglichst lange auch vor seinem Chef geheim gehalten – „um diesen Wechsel nicht zu gefährden“, wie Breitner sagt. So macht man das offenbar nicht nur im Fußball, lernen wir.

Trotz aller Fehler hat Albig dennoch eine zweite Chance. Denn der Gegner ist außer Form. Die CDU konnte sich am Donnerstag nicht einmal zu einer an den Ministerpräsidenten adressierten Rücktrittsforderung aufraffen. Stattdessen behauptete der CDU-Landesvorsitzende Reimer Böge forsch, seine Partei sei „auf alle Eventualitäten vorbereitet“ – auf all das, was politisch noch so passieren könnte in Schleswig-Holstein. Nachfragen ergaben, dass sich diese Vorbereitungen im Wesentlichen darin erschöpften, einen Blick in die Besetzungslisten der letzten Koalitionsausschüsse mit CDU-Beteiligung geworfen zu haben. Auch die FDP, die zweite Oppositionsfraktion, nimmt sich immer wieder Auszeiten. Wenn Wolfgang Kubicki, ihr großer Fraktionsvorsitzender, mal wieder in den Fernsehstudios unterwegs ist, um dem staunenden Publikum Talkshow-Weisheiten zu präsentieren, ist daheim in Kiel von Angriffslust leider wenig zu spüren.

Wozu auch? Denn derzeit gibt es für niemanden auf dem Spielfeld attraktive Alternativen. Die Dreierkoalition aus SPD, Grünen und SSW scheint fest aneinandergekettet. Ein Wechsel der Grünen zur CDU, um dann zusammen mit der FDP eine Koalition zu bilden? Eine schwarz-rote Ehe, in der die SPD wegen des schlechteren Wahlergebnisses nicht den Ministerpräsidenten stellen könnte? Alles derzeit undenkbar, alles vollkommen unrealistisch. Oder Neuwahlen? Die werden besonders von den Grünen gefürchtet, die zuletzt bei Wahlen in anderen Bundesländern nicht gut abgeschnitten haben. Auch die FDP hält nichts davon. Sie denkt an die AfD, die ihr das Wasser abgraben könnte. Und alle Parteien in Schleswig-Holstein stöhnen: Nicht schon wieder Neuwahlen, wir haben in den letzten Jahren schon so oft Wahlkämpfe organisieren müssen.

Halbzeit. Der Trainer ist angeschlagen, aber er glaubt, dass da noch was geht. Albig wechselt zweimal aus. Er sieht die Chance, den schlechten Auftritt der ersten Hälfte vergessen zu machen. Frische Trikots für alle. Anpfiff. Und raus.