Hamburg veröffentlicht jetzt seine Akten im Internet. Das ist gut für Stadt und Bürger

Es ist gar nicht lange her, da durfte der gemeine Staatsbürger kaum Einblick in das nehmen, was hinter den dicken Mauern von Ämtern, Behörden und Ministerien verhandelt und entschieden wurde. Noch 1970 urteilte das Bundesverfassungsgericht, die öffentliche Verwaltung könne „nur dann rechtsstaatlich einwandfrei, zuverlässig und unparteiisch arbeiten, wenn sichergestellt ist, dass über die dienstlichen Vorgänge nach außen grundsätzlich Stillschweigen bewahrt wird“. Wie radikal sich diese Weltsicht verändert hat, belegen die Gesetze zu Datenschutz und Informationsfreiheit, die seither eingeführt wurden. Während einst der Staat die Daten der Bürger ungehemmt sammeln durfte, seine eigenen Informationen aber geheim hielt, soll es heute möglichst umgekehrt sein.

Dieser Idee folgt auch das Hamburger Transparenzgesetz – und zwar nicht nur vorsichtig, sondern radikal. Von heute an können die Hamburger der Verwaltung so intensiv und so einfach auf die Finger schauen wie in keiner anderen deutschen Stadt. Zehntausende von Dokumenten sind von nun an im Internet kostenlos einsehbar. Dazu gehören bisher teilweise vertraulich behandelte Gutachten, Statistiken, Senatsbeschlüsse, Baupläne, Baugenehmigungen und vieles mehr. Neue Dokumente oder Daten werden kontinuierlich eingespeist.

Es ist im Vorwege darüber gestritten worden, ob zu viel Transparenz nicht schädlich sein könnte. Die Handelskammer hat gewarnt, es entstünde ein teurer „Datenfriedhof“, die Beamten würden durch permanente öffentliche Kontrolle verängstigt, die Verwaltung gelähmt. Außerdem würden Firmen abgeschreckt, wenn klar sei, dass Verträge mit der Stadt stets veröffentlicht würden. Die Transparenz sei ein Standortnachteil – und überhaupt: Vermutlich würde das Online-Register gar nicht rechtzeitig fertig und viel teurer als geplant.

Immerhin: Der letzte Punkt ist bereits widerlegt. Der Senat hat vor Ende der vom Gesetz festgelegten Frist ein ansprechend gestaltetes und funktionsfähiges Transparenzportal freigeschaltet. Und er ist bei den Kosten im Rahmen geblieben. Das ist für Großprojekte keine Selbstverständlichkeit – für IT-Vorhaben schon gar nicht. Man darf es getrost als ein Beispiel für „gutes Regieren“ nehmen. Auch die anderen Befürchtungen der Kammer dürften sich als übertrieben herausstellen. Betriebsgeheimnisse kann man durch Schwärzungen von Vertragspassagen schützen. Und mit öffentlicher Kontrolle und Bewertung der eigenen Arbeit müssen seit Erfindung des Internets viele von uns leben. Wieso sollte einen Hamburger Beamten diese Transparenz also lähmen? Den täglichen Umgang mit dem neuen Instrument allerdings werden alle Beteiligten erst lernen müssen. Den Mitarbeitern der Verwaltung verlangt das Transparenzregister einen Mentalitätswechsel und neue Arbeitsabläufe ab. Sie müssen bei der Veröffentlichung von Verträgen stets abwägen zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Schutz von Betriebsgeheimnissen. Das wird nicht immer einfach und eindeutig sein – möglicherweise werden Gerichte bei der Auslegung des Transparenzgesetzes behilflich sein müssen.

Auch das aber wäre kein großer Schaden. Insgesamt könnte das Transparenzgesetz sogar zu einem Standortvorteil werden. Nicht nur, weil – wie der Senat hofft – neue Firmen mit all den (Geo-)Daten Smartphone-Anwendungen herstellen könnten. Sondern auch, weil Transparenz gegen Korruption hilft, weil öffentliche Kontrolle (und die so mögliche korrigierende Mithilfe der Bürger) die Verwaltung effizienter machen kann. Es ist ein gutes Gefühl, in einer Stadt zu leben, die auf mündige Bürger setzt und deren Regierung und Verwaltung sich nicht hinter dicken Mauern verschanzt. Ein offener Staat ist ein Staat, dem man als Bürger vertrauen kann.