Das Ende des Solidaritätszuschlags ist so überfällig wie solide Haushaltsführung

Im Finanzministerium wird tatsächlich überlegt, 2019 den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Schön – könnte der steuer- und abgabengeplagte Bürger meinen, so 30 Jahre nach dem Mauerfall und nach 29 Jahren deutscher Einheit. Vielleicht bleibt sogar etwas mehr Netto vom Brutto in der eigenen Brieftasche. Das wird ja allenthalben von Politikern versprochen. Doch zum Äußersten wird es wohl nicht kommen.

Denn erstens soll der Soli, eine Ergänzungsabgabe von derzeit 5,5 Prozent auf die Einkommens-, Kapitalertrags- und Körperschaftssteuerschuld, durch eine Erhöhung der Einkommens-, Kapitalertrags- und Körperschaftssteuerschuld ausgeglichen werden. Alles klar? Der Unterschied liegt darin, dass die Ergänzungsabgabe allein in die Taschen des Bundes fließt, bei einer normalen Erhöhung der genannten drei Gemeinschaftssteuern auch Ländern und Kommunen ein Anteil zusteht. Aus Abgabe wird eine Steuer fix, für den Steuerzahler ändert sich – nix.

Außer dass eine irreführende Bezeichnung endlich ihr Ende findet. Denn der Solidaritätszuschlag wurde seit seiner Einführung kurz nach der Wiedervereinigung in West und Ost gleichermaßen erhoben. Wer hat da mit wem Solidarität geübt? Und er fließt zweitens seit Langem in den allgemeinen Bundeshaushalt, ist also nicht zweckgebunden für irgendwelche Aufbauleistungen. Genau genommen hat allenfalls der Bundesfinanzminister Solidarität mit sich selbst geübt und seine Bilanzen verbessert. Tatsächlich steckt hinter der Debatte um den Soli eine viel größere Aufgabe: nämlich die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Kommunen nach dem Auslaufen des derzeitigen Finanzausgleichs und des Solidarpakts II zur Finanzierung der Einheit. Da geht es um jede Milliarde. Und natürlich fühlt sich im derzeitigen Stadium der Verhandlungen erst einmal jeder benachteiligt: der Bund, weil er nichts verlieren will; die finanzschwachen Länder, weil sie chronisch immer zu wenig Geld haben; und die finanzstarken wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und wechselnd auch Hamburg, weil sie für die anderen zahlen sollen. Bayern und Hessen hatten im März 2013 sogar Klage gegen den Länderfinanzausgleich eingelegt. Von den jährlich 8,5 Milliarden Euro, die zwischen den Ländern verschoben werden, um bundesweit für gleiche Lebensverhältnisse zu sorgen, zahlten allein die Bayern im vergangenen Jahr 4,3 Milliarden. Größter Profiteur des Ausgleichs ist Berlin, das 2013 rund 3,3 Milliarden Euro aus dem Topf kassierte. Die Klage der Bayern scheint also verständlich. Und der Oberbayer Horst Seehofer hatte gleich auch noch einen neuen Vorschlag parat: einen „Zukunftsfonds zur Erfüllung zentraler Aufgaben“.

Nur bitte das nicht! Es wäre die Fortführung des Soli mit anderen Mitteln unter anderem Namen. Stattdessen wäre erstens eine Definition des Begriffs „gleiche Lebensverhältnisse“ dringend geboten. Das betrifft beileibe nicht nur Ost und West, sondern auch Stadt und Land, sogar verschiedene Regionen in einem Bundesland. Wie weit soll das gehen, was ist der Staat bereit, dafür auszugeben?

Und wie wäre es zweitens mit ganz normalen ehrlichen Etats, die ohne euphemistisch Sondervermögen genannte Altschulden, Extrafonds und versteckte Kredite auskommen? In denen die Kassenwarte bei Bund und Ländern einmal ehrlich kalkulieren, was die Einnahmen hergeben und welche Ausgaben leistbar sind und welche nicht, statt ständig über die nächsten Wahlgeschenke und dann erforderliche Zusatzeinnahmen zu grübeln?

Jeder private Haushalt muss mit dem auskommen, was er einnimmt. Das sollte auch für professionelle Finanzpolitiker und verantwortungsbewusste Volksvertreter keine Unmöglichkeit darstellen.