Man staunt, wie schnell ein Adverb zur Konjunktion werden kann. Von Finalsätzen und Kausalsätzen und noch einigen Sätzen mehr.

Mit Wörtern, die uns begegnen, geht es uns häufig wie mit Menschen, die wir treffen und bei denen wir nicht so genau wissen, welcher Art sie sind. Unter Umständen vermuten wir auf den ersten Blick das Falsche. Das gilt auch, wenn wir die Wortart von trotzdem vorschnell als Adverb (Umstandswort) definieren. Natürlich ist trotzdem vor allem ein Adverb: Es ging ihm schlecht, trotzdem (ohne Rücksicht darauf, dessen ungeachtet) erledigte er die Arbeit. Andererseits – und das wird überraschen – kann das Wort trotzdem auch eine Konjunktion (ein Bindewort) sein, die einen Satz dem anderen unterordnet: Er erledigte die Arbeit, trotzdem (obwohl) es ihm schlecht ging.

Nun werden Sie mit Recht sagen, Hauptsache sei doch, dass die Arbeit erledigt wird. Dabei sollten wir uns nicht durch syntaktische Spitzfindigkeiten verwirren lassen, die ohnehin niemand unterscheiden kann. Recht haben Sie. Trotzdem (Adverb) eine Anmerkung zur Unterscheidung: Ordnet eine Konjunktion einen Hauptsatz („Es ging ihm schlecht“) einem anderen Hauptsatz unter („Er erledigte die Arbeit“), so entsteht als Nebensatz ein sogenannter Verbletztsatz, das heißt, das finite (flektierte) Verb steht an letzter Stelle („trotzdem es ihm schlecht ging“). Tritt jedoch ein Adverb an die Spitze des zweiten Satzes, so werden Subjekt und Prädikat getauscht, aber beide Hauptsätze bleiben als Hauptsätze erhalten. Diesen Vorgang nennt man Inversion (Umsetzung der Wörter): Eva kann kein Blut sehen. Sie studiert Medizin. Daraus wird mit Adverb: Eva kann kein Blut sehen. Trotzdem studiert sie Medizin.

Doch genug der grauen Theorie. Eine überaus nette Leserin hat in dem Artikel eines Kollegen folgenden Satz gefunden: „Trotzdem man es ihr unter Strafe verboten hatte …“ Sie schreibt mir mit „herzlichen Grüßen“: „Selbst wenn heute umgangssprachlich so manches akzeptiert wird, bin ich doch der Meinung, dass ein obwohl hier die richtige Wahl gewesen wäre?“ Nicht unbedingt die richtige Wahl, aber hier im Norden wohl die richtigere. Ich trete nicht gern als Schiedsrichter gegenüber geschätzten Kollegen auf, die ihre Texte selbst erklären könnten, aber der angesprochene Kollege, der seit der Wende ein überzeugter Hamburger ist, räumt ein, dass ihm hier ein regionales Sprachrudiment (Überbleibsel) seiner sächsischen Heimat durchgerutscht sein könnte.

Trotzdem! Ich finde folgenden Satz: „Ich hab die jungen Herrschaften auch gleich erkannt, trotzdem es ein bisschen dunkel ist.“ Raten Sie einmal, wer das geschrieben hat? Es handelt sich um den Literaturnobelpreisträger Thomas Mann. Auch in den Werken von Stifter, Rilke, Fallada oder Raabe wird trotzdem häufig als Konjunktion gebraucht. Nun frage ich mich, in meinem Holsteiner Sprachgefühl ein wenig verunsichert: Kann das, was unsere größten Dichter geschrieben haben, im Abendblatt eigentlich ein Fehler sein?

Konjunktionen (von lat. coniunctio = Verbindung) verbinden Wörter, Satzteile und ganz Sätze miteinander. Man nennt sie auf gut Deutsch deshalb auch Bindewörter. Sie stellen eine inhaltliche Beziehung zwischen den verbundenen Teilen her. Konjunktionen gehören zu den unveränderlichen Wörtern. Sie werden weder konjugiert noch dekliniert, können keine Satzglieder bilden und haben anders als die Präpositionen (Verhältniswörter) auch keinen Einfluss auf den Kasus (Fall) des folgenden Nominalausdrucks. Es gibt nebenordnende Konjunktionen (und, oder, aber, denn) und unterordnende Konjunktionen (weil, obwohl, dass, ob).

Nebenordnende Konjunktionen ändern die Ebene der verbundenen Teile nicht: Vater und Mutter; Mann oder Frau; sie lief, aber er kam immer näher. Unterordnende Konjunktionen bilden hingegen Nebensätze, die den Zweck haben, das im Hauptsatz Gesagte näher zu bestimmen: Temporalsätze (Zeit) mit als, nachdem, bis, während, ehe, bevor, sobald, solange, wenn; Kausalsätze (Grund) mit weil, da, zumal; Finalsätze (Zweck) mit damit, dass, um zu; Konditionalsätze (Bedingung) mit wenn, falls, sofern, soweit; Konzessivsätze (Gegensatz) mit obwohl, obgleich, obschon, wenn auch und Modalsätze (Art und Weise) mit indem, wie, als ob, ohne dass. Trotzdem – weitere Konjunktionen schmuggeln sich ab und zu dazwischen, aus Sachsen oder sonst woher.

Der Verfasser, 73, ist „Hamburgisch“-Autor und früherer Chef vom Dienst des Abendblatts. Seine Sprach-Kolumne erscheint dienstags