Universitäten sind nicht Auftragnehmer der Stadt, sondern eine wichtige Grundsäule der Gesellschaft – und der Freiheit verpflichtet

In Hamburg tobt der Streit um die „BAföG-Millionen“, und um es vorweg zu sagen: Ich gönne das Geld den Schulen von Herzen und fände nichts misslicher als Verteilungskämpfe innerhalb des Bildungsbereichs. Außerdem finde ich die Emotionalisierung der Debatte mit Rücktrittsforderungen an die Senatorin unseriös. Aber wir brauchen dringend eine sachliche Diskussion um die Grundlagen der Hamburger Hochschulpolitik, denn an den „BAföG-Millionen“ entzündet sich ein Streit, der schon lange schwelt und in dem es zwar auch ums Geld und eine vertane Chance geht, aber nicht nur. In Wirklichkeit geht es um die Frage, warum die Hochschulpolitik in Hamburg im Wesentlichen Sparpolitik ist, warum sie nicht zu den politischen Kerngebieten gehört, warum es seit Jahren in Hamburg die Haltung gibt, die Hochschulen wären eigentlich viel zu teuer, sollten schlanker und effizienter werden und mit dem Geld, das sie bekommen, mit der Politik abgestimmte Leistungen erbringen.

Und es geht um die Frage, wie es sein kann, dass die Wissenschaftsbehörde ein Strategiepapier veröffentlicht, das von politischer Seite Inhalte definiert, was originäre Aufgabe der Hochschulen wäre, wohingegen die Behörde ihrer eigentlichen politischen Verpflichtung nicht nachkommt, zukunftsfähige materielle und strukturelle Rahmenbedingungen zu entwerfen. Es ist letztendlich ein Streit um die Grenzlinien der Hochschulautonomie.

Mit der Unterschrift unter die Hochschulvereinbarungen haben sich die Hochschulen bereits 2012 auf eine widersprüchliche Situation eingelassen, weil sie damals keine andere Möglichkeit gesehen haben: Die Aussicht, durch den „moderaten Aufwuchs des Budgets“ kurzfristig einigermaßen vernünftige Arbeitsbedingungen zu haben, hat die Tatsache in den Hintergrund treten lassen, dass es sich bei diesem „Aufwuchs“ auf längere Sicht in Wirklichkeit um die Ankündigung der drastischsten Einsparvorgaben handelt, die es in der Geschichte der Hamburger Hochschulen seit Langem gegeben hat. Das erinnert mich an „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ von Adalbert von Chamisso, in der sich ein armer Mann von einem reichen Kaufmann dazu verführen lässt, ihm für einen Sack voll Gold seinen Schatten zu verkaufen und viel zu spät bemerkt, dass er mit dem Schatten gleichzeitig auch seine Seele verloren hat. Der Sack voll Gold sind in unserem Fall die 38 Millionen zur Refinanzierung der Studiengebühren und der Aufwuchs von jährlich 0,88 Prozent. Dass die Inflation dieses Geld aber schluckt, wird kleingeredet und mit vagen Aussichten übertüncht.

Das Strategiepapier erweckt den Eindruck, als könne die Politik den Hochschulen den Schatten ihrer Probleme abnehmen, als böte sie ihnen gute Perspektiven und verlässliche Rahmenbedingungen. In Wirklichkeit sind die einzig sichere Perspektive aber das kontinuierlich schrumpfende Budget, die wachsende Detailsteuerung und Eingriffe der Behörde in die Hochschulautonomie durch Kennzahlen, Quoten und eine Flut von Berichtspflichten. Die Hochschulen werden in immer größere Abhängigkeit vom Staat gezogen und verlieren mit ihrem Schatten gleichzeitig auch ihre Unabhängigkeit und damit ihre Seele.

In dieser Situation ist es die dringende Aufgabe der Hochschulen, unmissverständlich deutlich zu machen, wo ihr Platz in der Gesellschaft ist. Sie sind nicht der Auftragnehmer der Stadt, schon gar nicht dem Hochschulamt nachgeordnete Behörden. Sie gehören zu den unabhängigen Grundsäulen unserer Gesellschaft, weil ihr wesentliches Thema – so pathetisch es auch klingen mag – letztendlich die Freiheit ist.

In den Universitäten geht es nicht hauptsächlich um Gestaltung, wie in der Politik, nicht um Wohlstand, wie in der Wirtschaft oder um Gerechtigkeit, wie im Rechtsleben. Auch geht es nicht darum, was die Stadt für die Hochschulen tut oder die Hochschulen für die Stadt. Es geht vielmehr darum, was beide zusammen für die Bildung und damit für die Freiheit ihrer Bürger tun wollen. Die Fähigkeit zur Freiheit ist die Grundlage, die alle anderen gesellschaftlichen Bereiche brauchen, um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können. Der Umgang mit den Universitäten ist für den Staat der Lackmustest der Freiheit.

Ideell gesehen geht es also um alles, denn ohne Freiheit will niemand leben – schon gar nicht in Hamburg.