Mit der Entwicklung der citynahen Stadtteile kann Hamburg Arbeitskräfte anziehen

Es ist eine Herkulesaufgabe, die Bürgermeister Olaf Scholz und seine Sozialdemokraten sich da vorgenommen haben. Nachdem das Augenmerk der Stadtentwickler in den vergangenen zehn, 15 Jahren auf dem Sprung über die Elbe ruhte und in Internationaler Bauausstellung sowie Internationaler Gartenschau mündete, ist jetzt Hamburgs Osten dran.

Bis zu 20.000 Wohnungen sollen auf der Fläche, die vom Hauptbahnhof bis nach Mümmelmannsberg reicht, innerhalb der nächsten zehn Jahre errichtet werden. Billstedt, Horn und Mümmelmannsberg, deren Zentren einen nicht so guten Ruf genießen, sollen durch private und öffentliche Investitionen aufgewertet werden. Die Stadt wird mächtig in die bessere Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr und in Bildungs- sowie Kultureinrichtungen investieren.

Nun mag mancher fragen, worin der Sinn liege, ein neues Projekt derartigen Ausmaßes aufzulegen. Natürlich ist eine gehörige Portion politischer Taktik dabei. Im Frühjahr kommenden Jahres wollen die Sozialdemokraten bei den Bürgerschaftswahlen ihre absolute Mehrheit verteidigen. Und Wahlkämpfer lieben die Ankündigung großer Projekte.

Neben wahltaktischen Überlegungen spielt die grundsätzliche Entscheidung des Senats eine Rolle, Stadtentwicklung innerhalb der Grenzen Hamburgs voranzutreiben. Die Ankündigung von Olaf Scholz, dass die Flächen für neue Wohnungen und Gewerbeimmobilien künftig in der Regel durch Verdichtung geschaffen werden sollen, rückt Stadtviertel, die bislang nicht ganz oben auf der Liste von Investoren standen, in den Fokus.

Zwei Entwicklungen bedingen die Fokuswechsel. Weltweit gewinnen Metropolen an Bedeutung. Auf der einen Seite haben Stadtforscher herausgefunden, dass junge und qualifizierte Arbeitskräfte in die großen Zentren abwandern, weil sie dort die besten Chancen auf gut bezahlte Jobs und ein abwechslungsreiches Leben vermuten. Hamburg darf sich Hoffnungen machen, in absehbarer Zeit zur Zwei-Millionen-Metropole zu werden. Auf der anderen Seite zeigt das von der SPD vorgegebene Ziel, jedes Jahr 6000 Wohnungen bauen zu lassen, inzwischen Wirkung. Vor allem in angesagten Vierteln wie Ottensen, Winterhude oder Eimsbüttel werden die Flächen knapp. Die Verdichtung verdichteter Quartiere stößt an Grenzen und auf wachsenden Widerstand der angestammten Einwohner.

Die Idee, auf Stadtteile auszuweichen, die bislang eher abgehängt waren, ist da nur folgerichtig. Begünstigt wird sie einerseits dadurch, dass der technologische Fortschritt inzwischen Produktionsmethoden zulässt, die weit weniger Lärm verursachen als noch vor zwei Jahrzehnten. Andererseits lassen Wohngebäude sich heute so gegen Lärm isolieren, dass ihre Errichtung an Orten möglich ist, die früher wegen Schutzgesetzen nicht infrage kamen: an befahrenen Straßen oder unweit von Gewerbegebieten.

Hamburgs Osten dürfte auch davon profitieren, dass moderne Stadtviertel sich durch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wohnen und Gewerbe auszeichnen. Die Entwicklung von Stadt funktioniert längst nicht mehr, indem man Leben und Arbeiten trennt. Konfliktfrei wird diese Entwicklung nicht vonstattengehen, vor allem wenn Gewerbegebiete angefasst werden müssen. Die Handelskammer hat sich bereits kritisch zu den Senatsplänen geäußert.

Allerdings, auch das dürfte allen Beteiligten im Grundsatz klar sein, führt am „Sprung nach Osten“ kein Weg vorbei, will Hamburg seine Attraktivität erhalten. Was diese angeht, so prägen nicht nur charmante Wasserlagen die östlichen Stadtteile. Von Vorteil ist auch die Nähe zur City. Denn es geht jungen Zuwanderern längst nicht mehr nur darum, in der Großstadt zu leben. So wollen auch unweit von deren Zentren leben.