Die Politik könnte unsere Abhängigkeit von russischem Gas mit neuer Strategie, größeren Speichern und mehr Effizienz verringern.

Die Gegenreaktion aus Russland auf die von Europa verhängten Sanktionen ließ nicht lange auf sich warten. Russland droht mit der stärksten Waffe, der Energie: Die Energiepreise sollen steigen. Zwar gibt es langfristige Verträge, doch diese sind in Zeiten von politischen Zerrüttungen wohl wenig Wert. Seitens Europa sind Ausweichreaktionen zu erwarten.

Es gibt ausreichend Öl und Gas auf den Weltmärkten. Zwar wird Europa kaum in kürzester Zeit alle Energielieferungen ersetzen können – immerhin wird circa 35 Prozent unseres Gas- und Ölbedarfs aus russischen Quellen gedeckt. Doch Russland ist ebenso abhängig von Europa. Immerhin knapp 60 Prozent der russischen Staatseinnahmen werden durch die Exporte von Energie generiert, ein Großteil durch die Lieferungen nach Europa. Die russische Wirtschaft würde kollabieren, sollten diese Einnahmen wegfallen.

Zwar kann auch Russland versuchen, andere Abnehmer für Gas und Öl zu finden, aber auch hier sind die Potenziale begrenzt. Das Gaspipeline-System ist nach Europa ausgerichtet: Eine jüngst fertiggestellte Pipeline durch die Ostsee liefert Gas direkt nach Deutschland, ein weiterer Ausbau ist geplant, wie beispielsweise die South Stream Pipeline, die Gas aus Russland nach Südosteuropa liefern soll. Eine Pipeline, die russisches Gas nach China bringen soll, ist in Planung und wird erst in einigen Jahren zur Verfügung stehen. Die zu transportierenden Mengen sind deutlich geringer als die nach Europa.

Russland hat zwar auch Terminals für den Export von Flüssiggas (LNG), doch auch hier sind die Potenziale gering. Russland kann es sich schlicht nicht leisten, diese wertvollen Wirtschaftsbeziehungen mit Europa zu gefährden.

Jegliche Androhungen von Gas- oder Öllieferstopps oder willkürliche Preisänderungen werden dauerhaften Schaden anrichten, da Vertrauen verloren geht. Die Energie- und damit die Versorgungssicherheit in Europa bekommt nun einen neuen und wichtigen Stellenwert.

Europa hat allerdings schon vor einigen Jahren richtigerweise begonnen, die Energiebezüge zu diversifizieren und damit die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu vermindern. Terminals für Flüssiggas wurden ausgebaut, damit dies verstärkt importiert werden kann.

Der internationale Gasmarkt ist recht entspannt, die Nachfrage nach Gas ist in den Sommermonaten gering, die Gasspeicher sind aufgrund des milden Winters gut gefüllt. Vor allem die USA fördern einen Großteil ihres Gasverbrauchs selbst und fallen so als bisher großer Gasimportnachfrager nahezu aus. Somit gibt es einen Überschuss an Gas auf den internationalen Märkten. Zwar sind auch die Flüssiggaslieferungen zumeist in langfristigen Verträgen gebunden, dennoch gibt es Potenziale. Diese sind zwar nicht unbedingt preiswerter als russisches Gas, aber eine lohnenswerte Alternative.

Zudem stehen weitere Gasförderlieferanten bereit, zum Beispiel Nordafrika, Norwegen oder der kaspische Raum, die mehr Gas nach Europa liefern könnten. Europa muss diese Diversifikationsstrategie, also weitere Lieferanten einzubeziehen, nun konsequent weitergehen und außerdem noch mehr Flüssiggasterminals bauen, auch in Deutschland. Zudem muss das bestehende Pipeline-Netz in Europa effizienter genutzt werden, weiter ausgebaut und insbesondere mehr Möglichkeiten geschaffen werden, dass Gas auch von West nach Ost transportiert werden kann (Reserve Flow).

Außerdem ist es notwendig, dass in Europa genau wie bei der strategischen Ölreserve eine strategische Gasreserve eingerichtet wird, die Europa erlaubt, im Falle von Gaslieferstopps sich für drei Monate mit Gas selbst zu versorgen. Derzeit basiert die Befüllung der Gasspeicher auf Freiwilligkeit. Das kann zur Folge haben, dass die Gasspeicher im Ernstfall nicht ausreichend gefüllt sein können.

Zudem muss Europa endlich im Rahmen des neu zu verhandelnden Energie- und Klimapakets verbindliche Ziele für die Verbesserung der Energieeffizienz festlegen, sowie für den Ausbau erneuerbarer Energien und konkrete Treibhausgasminderungsziele. Nur so kann die Abhängigkeit von Öl und Gas dauerhaft vermindert werden.