Antisemitismus und Rassismus müssen geächtet werden – egal, von wem sie kommen

Der Antisemitismus ist zurück auf Deutschlands Straßen. In Kassel brüllten Demonstranten „Scheiß Juden“, in Frankfurt wurden Parolen wir „Ihr Juden seid Bestien“ durch die Straßen getragen. Auf dem Ku'damm erklingt hundertfach der Chor: „Jude, Jude, feiges Schwein – komm heraus und kämpf allein.“ In Österreich greifen Militante Fußballer tätlich an, in Berlin verprügeln sie Juden.

Das sind unerträgliche Vorfälle, getränkt von dumpfem Hass. Sie sind nicht hinnehmbar. Hier wird der Nahostkonflikt auf Deutschlands Straßen verlagert. Leider ist auch in diesen Stellvertreterkriegen die Wahrheit das erste Opfer. Es mutet seltsam an, wie diese Demonstrationen von manchen politisch gedeutet werden. So schaffen es viele Sender und Zeitungen – sei es aus Schlampigkeit oder politischer Korrektheit – zu verschweigen, wer denn diese Hassparolen ruft. Da schreibt man große Geschichten über die Judenfeindlichkeit der Deutschen, wirft mit alten Umfragen um sich, aber bei den Tätern bleibt man schwammig. Offenbar passt einigen nicht ins Weltbild, dass auch Migranten Rassisten sein können. Antisemitismus ist aber immer inakzeptabel, egal, ob er von alten Nazis oder jungen Heißspornen kommt.

Oftmals ist nur vage die Rede von Rechtsextremisten, Linksextremisten und Islamisten. Eine bizarre Gemengelage: Demos, auf der Skinheads neben Autonomen und Palästinensern Seit’ an Seit’ marschieren? Mehrere unverstellte Blicke auf die Demonstrationen hätten genügt, um zu erkennen: Linksradikale tragen selten Kopftücher, Rechtsradikale selten Salafistenbärte. Natürlich denken Nazis und ein paar versprengte Linke genauso, kochen Israelkritik zu Judenhass hoch; selbst im Bürgertum hält sich ein ekeliger Antisemitismus. Nur: Derzeit marschieren vor allem Araber in ihrer Wut über den Krieg im Gazastreifen. Man mag ihre Verzweiflung verstehen, nicht aber ihre Militanz auf europäischen Straßen. Rassismus wird nicht harmloser, wenn er von Ausländern kommt. Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass sie ausgerechnet antisemitische Parolen von Faschisten zitieren. Auch Relativierungen verharmlosen. Es macht den Gewaltausbruch arabischstämmiger Jugendlicher in Deutschland nicht harmloser, wenn ein durchgeknallter Provinzpolitiker der CDU judenfeindliche Parolen auf Facebook postet.

Befremdlich ist, dass die arabischen Demonstrationen die alte Reaktion im In- und Ausland hervorrufen. Israels Botschafter Yakov Hadas-Handelsman schrieb in der „Berliner Zeitung“: „Sie verfolgen Juden in den Straßen Berlins, als ob wir uns im Jahr 1938 befinden.“ Bei allem Verständnis für die Wut der Israelis, dass ausgerechnet in Deutschland Judenhass so ausgelebt wird, banalisiert er den staatlichen Terror in Nazi-Deutschland und übertreibt maßlos in der Gegenwart.

Nein, die Fragen, die sich Deutschland wie andere Staaten in Europa auch stellen muss, lauten anders: Warum werden die Konflikte aus anderen Weltregionen hier auf den Straßen ausgetragen? Woher rührt die Militanz? Wie soll man dem Hass begegnen? Wie ihn bekämpfen? Die Reaktionen der Politik waren ja richtig: Nach einigen Tagen des Schweigens gibt es endlich Widerspruch. Bundeskanzlerin Merkel verurteilte die antisemitischen Slogans völlig zu Recht als „Angriff auf Freiheit und Toleranz“, als „Versuch, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu erschüttern“.

Den klaren Worten müssen Taten folgen – von allen. Gerade auch Migrantenverbände und Imame sind gefordert, Demokratie zu predigen. Am Freitag gab es positive Signale. Dennoch bedarf es eines neuen „Aufstands der Anständigen“. Toleranz und Gewaltfreiheit sind unumstößliche Spielregeln, die Solidarität mit Israel ist Teil deutscher Staatsräson. Darüber wird nicht diskutiert.