Hamburg hat gute Voraussetzungen für Olympia. Es muss jetzt nur klug agieren

Wenn es stimmt, dass die Vergabe Olympischer Spiele wesentlich von der Zustimmung der Bevölkerung in der Stadt des jeweiligen Kandidaten abhängt, dann sollte sich Hamburg unbedingt bewerben.

Dass fast drei Viertel der Hamburger nach einer neuen Umfrage Olympia im Norden begrüßen würden, dass 69 Prozent stolz darauf wären, Gastgeber zu sein, sind überraschende und beeindruckende Ergebnisse. Solche Zahlen ist man in Zeiten, in denen gerade große Sportereignisse mit all ihren Begleiterscheinungen immer kritischer gesehen werden, nicht mehr gewöhnt.

Natürlich ist auch in Hamburg, der Kaufmannsstadt!, die Begeisterung für Olympia mit der Befürchtung verbunden, man könne sich finanziell übernehmen. Aber seien wir ehrlich: Wenn sich nicht einmal unsere Region, die zu den reichsten Europas gehört, die Austragung der Spiele zutraut, wer dann? Hamburg sollte bereit sein, und Hamburg muss keine Angst haben, dieser Herausforderung nicht gerecht werden zu können. Vielleicht war die Stadt sogar noch nie so geeignet für die Olympiabewerbung wie im Moment.

Das liegt zum einen an dem offensichtlichen, grundsätzlichen Interesse der Hamburger an einer Kandidatur, das ja nicht nur in der jetzt veröffentlichten Umfrage seinen Ausdruck findet. Politik und Wirtschaft haben sich längst erneut zu Olympia bekannt; Hamburg hat sich in den vergangenen Jahren von einer gefühlten zu einer echten Sportstadt entwickelt. Mehrere Infrastrukturprojekte lassen darüber hinaus viel Raum für olympische Pläne und könnten sogar zu Synergieeffekten zwischen Sport und Stadtplanung führen. Soll heißen: Einige der großen Themen wie HafenCity, Neue Mitte Altona oder die U 5 würden sowohl strukturell als auch finanziell von einer Hamburger Bewerbung profitieren können. Mindestens genauso wichtig: Hamburg ist eben nicht mehr die etwas verschlafen wirkende Großstadt an der Elbe, sie hat sich längst aufgemacht, eine europäische Metropole mit neuen Ansprüchen zu werden. Der Weg dorthin ist lang und steckt voller Rückschläge, wie man beispiel- und schmerzhaft bei der Elbphilharmonie erlebt hat.

Aber selbst damit hat Hamburg umzugehen gelernt. Die Stadt möchte nicht nur weiter wachsen, sie will auch gesehen und international beachtet werden, und wie würde das besser gehen als mit Olympischen Sommerspielen? Man muss sich nur in Erinnerung rufen, was aus München nach den Spielen 1972 (und dem Weltmeisterschaftsfinale 1974) geworden ist ...

Das vielleicht stärkste Argument für eine Hamburger Bewerbung hängt aber mit den aktuellen Diskussionen um die Vergabe großer Sportereignisse an Brasilien, vor allem aber an Russland und Katar zusammen. Es wird Zeit, dass der Sport zurückfindet in Länder, in denen er nicht mit Demokratiedefiziten, Menschenrechtsverletzungen oder Ähnlichem zu kämpfen hat und in denen Politik die Wettbewerbe eben nicht überlagert. Zudem bringen Hamburg und die Hamburger eine Eigenschaft mit, die wunderbar zu der olympischen Bewegung passt: hanseatische Zurückhaltung, Bescheiden- und Gelassenheit könnten Sommerspielen eine neue Richtung geben, eine Richtung, die die Vorbehalte gegen Großereignisse und die finanziellen Ansprüche wieder auf ein normales Maß reduziert.

Das uns nachgesagte Understatement sollte unbedingt auch die Grundlage aller Anstrengungen sein, die in den nächsten Wochen und Monaten für eine Olympiabewerbung unternommen werden. Denn ausschlaggebend sind dabei eben keine großen Worte oder hochtrabenden Pläne, sondern eine kluge, detailliert ausgearbeitete Strategie, die den klaren Willen aller Beteiligten zu der olympischen Idee erkennen lässt.

Wir erinnern uns: Dort ist nicht von Siegen, sondern von Dabeisein die Rede.