Der neue EKD-Chef muss Gott mehr gehorchen als Gremien

Früher sagten die Leute: Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wiederhaben.

Heute könnte es in der evangelischen Kirche heißen: Wir wollen Margot Käßmann als Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche (EKD) wiederhaben.

Theoretisch ist das sogar möglich, denn nach dem vorzeitigen Rücktritt des bisherigen EKD-Chefs Nikolaus Schneider wird der Posten wieder frei. Margot Käßmann hatte das Amt als oberste Repräsentantin von gut 25 Millionen Protestanten souverän mit Leben gefüllt. Bis zu ihrer Trunkenheitsfahrt und ihrem raschen Rücktritt. Die damalige Idealbesetzung steht prinzipiell für das Profil, über das der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Nikolaus Schneider verfügen sollte. Damit die evangelischen Christen auf dem Markt der öffentlichen Meinungen präsent sind, muss der neue Positionsinhaber absolut medienaffin sein. Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm macht das schon seit Langem vor: Er ist bei Facebook aktiv. Immerhin 2767 Usern „gefällt das“.

Mediale Gewandtheit, rhetorisches Geschick und streitbare Überzeugungen gehören zum Stellenprofil unbedingt dazu. Denn die größte Strukturschwäche des Protestantismus liegt in der Tendenz, alles im Konsens glattzubügeln. Am Ende löst sich der Markenkern bis ins Unkenntliche auf. Das umstrittene EKD-Familienpapier ist ein Beispiel für die ebenso eklatante wie gezielte Ausblendung der biblischen Traditionen. Die EKD kann aber nur dann eine gewichtige Stimme in der pluralisierten Gesellschaft bleiben, wenn sie mit starken Konturen für ihr Proprium steht. Und das sind, in guter reformatorischer Tradition, „allein Christus, die Gnade, das Wort, die Schrift und der Glaube“.

Zudem braucht der Nachfolger Charakterstärke, um die eigene reformatorische Überzeugung auch gegen den Druck einer konformistischen Zeitgeistfraktion ins Zentrum der Debatten zu stellen. Gerade das 500. Reformationsjubiläum 2017 verlangt eine Persönlichkeit, die aus den Quellen des Glaubens lebt. Noch ist das Rennen offen, wer künftig die EKD repräsentiert. In jedem Fall sollte es aber jemand sein, der Gott mehr gehorcht als den kirchlichen Gremien.