Die Prokon-Pleite beweist, dass Anleger besser geschützt werden müssen

Für rund 5000 Anleger war es ein bitterer Gang in die Halle B6 auf dem Messegelände. In der gestrigen Gläubigerversammlung ging es nicht mehr um die schöne neue Ökowelt, die Prokon einst in bunten Broschüren versprach, sondern nur noch um die Trümmer eines Unternehmens. Statt der versprochenen Traumrenditen von sechs bis acht Prozent bangen die Kleinanleger nun um einen Großteil ihres eingesetzten Geldes. Denn ihr Erspartes, insgesamt geht es um 1,4 Milliarden Euro, floss weniger in den grünen Umbau der Volkswirtschaft als vielmehr in den grauen Kapitalmarkt.

Natürlich gilt wie bei allen Geldanlagen, dass hohe Renditen mit hohen Risiken verbunden sind. Die deutschen Kleinanleger, immerhin 75.000 an der Zahl, hätten also bei Prokon gewarnt sein können. In Zeiten, in denen ein Sparbuch nur ein halbes Prozent abwirft, sollte man bei Zinsversprechen, die mindestens zwölfmal so hoch sind, skeptisch sein.

Aber ganz so einfach wie bei anderen unseriösen Lockangeboten des grauen Kapitalmarktes liegt der Fall bei Prokon nicht. Der Gesetzgeber hat in diesem Fall gleich doppelt versagt: Die Politik hat einen mangelhaften Rahmen gesetzt und damit Prokons Geschäftsmodell ermöglicht. Sie hat zudem durch das viel zu spät reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz den Eindruck erweckt, die bei Prokon versprochenen Renditen gingen schon in Ordnung. Durch die überhöhten Garantiepreise für Sonnen- und Windstrom ließen sich tatsächlich solche hohen Renditen erzielen – übrigens auf Kosten aller Stromkunden.

Viele Anleger wurden bei Prokon auch Opfer ihres eigenen Idealismus: Sie wollten der Energiewende mit ihrem Kapital einen Schub geben und nebenbei verdienen. Prokon spielte stets geschickt auf der Klaviatur der Weltverbesserer, sammelte so nicht nur erfolgreich Millionen ein, sondern schuf eine Nibelungentreue der Anleger über den Insolvenzantrag hinaus. Gleich 9500 Anleger haben sich als „Freunde von Prokon“ zusammengeschlossen, andere stehen weiter treu zu Prokon-Gründer Carsten Rodbertus. Der agierte in seiner Kundenkommunikation mitunter wie ein Sektenprediger, der in einer Welt böser Mächte und dunkler Verschwörungen mutig Finanzmultis und Energiekonzernen trotzt. Bescheiden, von der Idee beseelt, unbeirrt. Rodbertus war Teil jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft. Auch nun, wo die Staatsanwaltschaft Lübeck längst gegen ihn ermittelt, Anlegerschützer vor dem Totalverlust warnen und weitere Details zum Missmanagement auftauchen, will der Prokon-Gründer die Sackgasse der Vergangenheit weitergehen. Das alles mag menschlich verständlich sein, für das Unternehmen und die Investoren ist es fatal. Der groteske Kleinkrieg zwischen dem Gründer und seinen Anhängern auf der einen und dem Insolvenzverwalter auf der anderen Seite erschwert, ja gefährdet die Zukunft des Unternehmens aus Itzehoe.

Die politisch Verantwortlichen in Berlin müssen aus dem Prokon-Desaster lernen. Immerhin haben Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Mai einen Aktionsplan zum verbesserten Schutz von Anlegern vorgestellt. In den nächsten Tagen soll nun der Referentenentwurf vorliegen.

Nötig sind klare Regeln für hochriskante Finanzprodukte wie Genussrechte. Die Anbieter müssen zur Transparenz verpflichtet, die Finanzaufsicht muss gestärkt werden. Es bedarf zudem strikter Werberichtlinien. Auf jeder Zigarettenschachtel sind Warnhinweise vorgeschrieben, bei jeder Kopfschmerztablette soll man vor dem Kauf seinen Arzt befragen; Prokon aber durfte in Hamburgs Bussen und Bahnen seine fantastischen Zinsen anpreisen. Das Ergebnis dieser laxen Regulierung war gestern in den Messehallen zu besichtigen.