Erschrecken Sie nicht, aber schrecken Sie auch nicht zurück. Bei diesen Hinterhältigkeiten der Grammatik müsste Foul gepfiffen werden

Heißt es eigentlich Ich habe mich erschreckt oder Ich habe mich erschrocken? Weder – noch. Der reflexive Gebrauch von erschrecken (sich erschrecken) ist zwar weit verbreitet, aber nicht standardsprachlich, zumal in der Umgangssprache dabei starke und schwache Flexionsformen munter durcheinandergemischt werden („Ich erschreckte/erschrak mich“).

Das Verb erschrecken gibt es zweimal, einmal transitiv (auf ein Akkusativobjekt zielend) und einmal intransitiv (nicht zielend, nicht zum persönlichen Passiv fähig). Das transitive Verb erschrecken wird schwach flektiert (erschreckte – erschreckt): Ihr Aussehen hat ihn erschreckt. Das erschreckte die Zuhörer. Wen oder was? Akkusativobjekt: die Zuhörer. Passiv: Die Zuhörer wurden erschreckt (nicht: Die Zuhörer „erschreckten sich“).

Das intransitive erschrecken wird dagegen stark konjugiert (erschrak – erschrocken): Die Menschen erschraken. Er ist über ihr Aussehen erschrocken. Im Indikativ Präsens lauten die Formen ich erschrecke, du erschrickst, er erschrickt; im Imperativ (in der Befehlsform): erschrick nicht! Das starke Verb lautet nicht nur ab, es tritt auch ein e/i-Wechsel ein.

Ich fürchte, ich habe Sie mit dieser Einleitung erschreckt, sodass Sie erschrocken über diese Zeilen sind. Es war jedoch nicht meine Absicht, Ihnen einen „Schrecken“ zu verpassen. Einen Schrecken? Wieder falsch! Wenn schon (was ich aber nicht glaube), dann hat Ihnen die Grammatik einen Schreck eingejagt. Der Schreck, des Schrecks, die Schrecke bedeutet eine kurze, plötzliche seelische Erschütterung, die durch etwas Unerwartetes, Unangenehmes oder Angsteinflößendes hervorgerufen wird. Beim Knall fuhr ihm der Schreck in die Glieder. Das Substantiv der Schrecken, des Schreckens, die Schrecken bezeichnet hingegen einen länger anhaltenden Zustand seelischer Not und Qual: Sie musste immer wieder an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs denken. Formulieren wir also neu: Ich hoffe, dass Sie beim Lesen dieser Zeilen keinen solchen Schreck bekommen haben, dass der Schrecken aus Ihrer Schulzeit wieder in Ihrer Erinnerung auftaucht. Für manche war die Grammatik früher ja der Schrecken des Deutschunterrichts.

Wechseln wir das Thema. Eine Leserin aus Rellingen fragt, ob es je – desto oder je – umso heißen muss. Da möchte man mit dem Volksmund antworten: Das kannst du halten wie ein Dachdecker, sprich: Beides ist richtig. Die Konjunktion je setzt zwei Komparative zueinander in Beziehung: Je früher du kommst, desto eher werden wir fertig. Oder: Je länger er in Hamburg war, umso besser gefiel ihm die Stadt. Die Korrelate (Wörter, die auf ein anderes Wort bezogen sind) zu je sind also desto wie umso. Sie haben die freie Wahl – Stilistik à la carte. Wahrscheinlich werden Sie jedoch mit desto mehr Eindruck machen, und noch mehr Eindruck unter Umständen, wenn Sie die schon nicht mehr hochsprachliche, sondern geradezu höchstsprachliche Ergänzung je – je benutzen: Es war zu beobachten, dass die Familie den Großvater je mehr fürchtete, je älter er wurde. Geläufig ist je – je noch in kurzen Verbindungen wie je länger, je lieber oder je länger, je mehr.

Zusammen mit nachdem drückt je aus, dass etwas von einem bestimmten Umstand abhängt: Je nachdem, ob sie Zeit hat, kommt sie vorbei oder nicht. In dem Satz: Je ein Exemplar dieser Bücher wurde (nicht: wurden) an sie geschickt, muss das Prädikat im Singular stehen. In Verbindung mit dem Zahlwort ein bezieht sich je zwar auf mehrere Exemplare, meint aber jedes Exemplar einzeln.

Nächste Frage: Heißt es sowohl – als auch oder sowohl – wie auch. Schließlich wird hier eine Gleichheit ausgedrückt, was auf die Vergleichspartikel wie schließen lässt. Trotzdem folgt in einer mehrteiligen Konjunktion einem sowohl gewöhnlich ein als auch: Er besucht sowohl Hamburg als auch Lübeck. Die modale Konjunktion (nach der Art und Weise) als steht hier nicht für die Ungleichheit nach einem Komparativ (Ich bin älter als du), sondern für eine Gleichheit in der erstarrten, formelhaften Verbindung sowohl – als auch. Um eventuellen Protesten zuvorzukommen: Wer sich gar nicht damit anfreunden kann, der darf wie auch ebenfalls benutzen.