Wenn die Amerikaner uns nicht vertrauen, gibt es keinen Grund, dass wir ihnen vertrauen.

Kann man den Amerikanern noch vertrauen? Die Frage lässt sich leicht beantworten, wenn man sie wie folgt umstellt: Vertrauen die Amerikaner uns (noch)? Die klare Antwort: nein, denn sonst würden nach der NSA-Affäre nicht immer neue und weitere Bespitzelungen auf deutschem Boden bekannt werden. Die USA behandeln uns, als wären wir nicht einer der engsten Partner und ein wichtiger strategischer Verbündeter, sondern ein Land wie jedes andere. Nein, die Amerikaner vertrauen uns nicht, und deshalb gibt es für Deutschland keinen Grund, ihnen zu vertrauen. Das ist eine harte und bittere Erkenntnis, aber leider die Wahrheit.

Dass es so weit kommen konnte, hat mehrere Gründe. Dazu zählen die grundsätzliche Angst und Skepsis der Amerikaner nach den Anschlägen des 11. September 2001 (wobei einige der Terroristen aus Deutschland, insbesondere aus Hamburg kamen) ebenso wie die neuen Überwachungsmöglichkeiten und die technologisch-militärische Übermacht der USA. Es scheint, als ob deren Geheimdienste die Grenzen ihres Handelns nicht nach moralischen oder rechtlichen Kriterien ziehen, sondern rein danach, was möglich ist. Und möglich ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten bekanntlich viel.

Was sie dabei mit wiederholten Bespitzelungen deutscher Regierungsmitglieder, Behörden, Politiker oder Privatpersonen anrichten, scheint den Amerikanern egal zu sein. Wäre es anders, hätten sie sich nach der ersten Enttarnung entschuldigt und die offensichtlich dilettantische Spionage aufgegeben. Dass die USA das nicht getan haben, zeigt leider auch, wie hoch für sie, oder zumindest für bestimmte relevante Bereiche, der Stellenwert der deutsch-amerikanischen Freundschaft ist. Unwahrscheinlich, dass die Verantwortlichen sich von den endlich ziemlich klaren Reaktionen der Bundesregierung abschrecken lassen. Und selbst wenn jetzt jemand, sogar der Präsident, behaupten würde, dass man die Spionage bei Verbündeten sein lasse – wer würde, wer sollte ihm denn noch glauben?

Wir müssen uns vorerst damit abfinden, dass wir ausgerechnet den Amerikanern nicht vertrauen können, weil sie uns nicht vertrauen. Was das für das Verhältnis der beiden Nationen auf Dauer bedeutet, lässt sich erahnen, wenn man die latente Aversion einiger Teile der deutschen Gesellschaft gegen die USA kennt. Für sie sind die jüngsten Vorfälle eben keine Enttäuschung, sondern im Gegenteil eine Bestätigung dunkler Vorahnungen und Vorverurteilungen. Und sie werden die neue (Anti-)Stimmung für ihre Interessen zu nutzen wissen und im Zweifel die Amerikaner damit noch skeptischer machen. Da beginnt eine Entwicklung, die eigentlich niemandem gefallen kann, den USA genauso wenig wie Deutschland.

Sie zeigt übrigens auch einmal mehr, dass es für die Bundesrepublik keine Alternative zu einem großen und starken europäischen Bündnis gibt. Im Verhältnis zu den USA ist Deutschland allein zwar ein nicht unbedeutender, am Ende aber eben doch ein kleiner Partner. Auf Augenhöhe wird man den Nordamerikanern nur im Verbund begegnen können. Als EU, die man auch jenseits des Atlantiks ob ihrer schieren Größe ernst nehmen muss und wird.

Dass man ausgerechnet im deutsch-amerikanischen Verhältnis diesen und andere Wege gehen muss, ist traurig und zeigt, dass die beiden Länder sich doch nicht so nah waren, wie es zumindest ein Großteil der Deutschen immer gedacht hat. Das Grundprinzip einer Freundschaft heißt Vertrauen. Ist es einmal beschädigt, lässt es sich vielleicht wieder aufbauen. Bei einer zweiten oder gar dritten Verletzung wird eine Wiedergutmachung schwer, weil der eine schlicht nicht mehr glaubt, was der andere sagt. Es ist zu befürchten, dass wir diesen Zustand erreicht haben.