Wohnschiffe für Flüchtlinge führen mit ihrer drangvollen Enge zu einer Gettoisierung

Es ist erst ein paar Tage her, als wir lesen mussten, dass eine halbe Million Iraker auf der Flucht vor der Terrororganisation Isis ist, die sich plötzlich anschickt, den ganzen Staat zu erobern. 500.000 Menschen? Und im Libanon, einem Land mit 4,5 Millionen Einwohnern, leben mittlerweile 1,2 Millionen Flüchtlinge aus dem bürgerkriegszerstörten Syrien. Mehr als jeder vierte Mensch in dem kleinen Nahoststaat – halb so groß wie Hessen – ist auf der Flucht.

In Deutschland sind 2013 rund 127.000 Asylanträge gestellt worden. In diesem Jahr werden es mindestens 30 Prozent mehr sein – bei einer Bevölkerung von rund 80 Millionen wohlgemerkt. Gibt es also einen Grund zur Aufregung? Ja und nein.

Kriege, Bürgerkriege und andere Fluchtursachen müssen vor allem dort bekämpft werden, wo sie entstehen und sich ereignen. Afghanistan und nicht zuletzt der Irak liefern nur zwei der sichtbarsten Beispiele, in denen die Weltgemeinschaft bei ihrer Aufgabe, Frieden zu schaffen, versagt hat. Den Flüchtlingen hilft diese Erkenntnis nur leider keine Spur weiter.

Die wenigsten der Menschen, die weltweit vor Not, Elend und Gewalt fliehen, kommen nach Europa. Das ist wahr. Aber wer es bis hierher schafft, der hat Anspruch auf eine menschenwürdige Unterbringung und Betreuung. Dazu zählt übrigens auch die Möglichkeit, hier zu arbeiten und somit zumindest einen Teil des Lebensunterhalts zu bestreiten. Die Frage kann also nicht sein, ob wir den Menschen in Not helfen oder nicht. Wo kämen wir hin, wenn sich eine reiche Stadt wie Hamburg dieser Verantwortung nicht stellen wollte?

Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele hat jetzt mit drastischen Worten darauf hingewiesen, dass bis zum Ende des Jahres ein Kapazitätsengpass bei der Unterbringung von Flüchtlingen droht. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagte der SPD-Politiker und meinte damit, dass für rund 1600 von 4000 bis zum Ende des Jahres zusätzlich benötigten Plätzen noch keine geeigneten Flächen gefunden sind. Und Scheele hat richtigerweise gleich hinzugefügt, dass den Menschen selbstverständlich geholfen werden müsse.

Es wird der Stadt gelingen, diese Herausforderung zu meistern. Eine Voraussetzung ist aber, dass die Auswahl der Standorte von Pavillon- oder Containerdörfern im Dialog mit den jeweiligen Nachbarn geschieht. Bedenken müssen ernst genommen werden, Gespräche können Verständnis wecken. Dass das ein mühsamer Prozess sein kann, zeigen die Diskussionen um die geplante Flüchtlingsunterkunft im feinen Harvestehude.

Eine weitere Voraussetzung für eine möglichst hohe Akzeptanz der Unterbringung von Flüchtlingen ist die gerechte Verteilung. Das gilt auf allen Ebenen: in Europa, in Deutschland und eben auch in Hamburg. Was die Stadt angeht, so müssen hier ohnehin vorhandene soziale Belastungen in die Planungen mit einfließen.

Keine gute Idee ist es allerdings, wie vor 20 Jahren Flüchtlinge auf Wohnschiffen im Hafen unterzubringen. Diese schwimmfähigen Kästen mit ihrer drangvollen Enge haben schnell zu einer Gettoisierung geführt. Die Integration von Menschen aus fremden Kulturen kann in dezentralen, möglichst überschaubaren Einheiten besser und eher gelingen, als in Massenunterkünften, die die Wohnschiffe schlicht waren.

Vieles spricht dafür, dass sich das gesellschaftliche Klima Flüchtlingen gegenüber insgesamt verändert hat. Menschen, die wirkliche Not erlebt haben, erfahren eine breite Unterstützung. Dafür sprechen auch zahlreiche Anwohnerinitiativen, die Flüchtlinge willkommen heißen, statt sie auszugrenzen. Das war vor 20 Jahren durchaus anders. Damals kamen unter anderem in der Folge der Balkankriege allerdings bis zu 500.000 Menschen in einem Jahr nach Deutschland.