Ein Kommentar von Matthias Iken

Der Henri-Nannen-Preis gilt als die größte deutsche Auszeichnung für Journalisten. Die alljährliche Verleihung des „Henri“ in Hamburg ist ein Fest, bei dem sich Prominenz aus Medien, Wirtschaft und Politik trifft und den Journalismus feiert.

Doch der Preis ist ins Gerede gekommen. 2011 bekam der „Spiegel“-Journalist René Pfister für sein beeindruckendes Porträt über Horst Seehofer den Henri verliehen. Als sich herausstellte, dass er eine der dargestellten Szenen nur vom Hörensagen kannte, wurde ihm der Preis wieder aberkannt. Ein Jahr später gewannen „Bild“-Reporter den Henri für die beste investigative Leistung, woraufhin die Preisträger der „Süddeutschen Zeitung“ die Annahme der Bronzeskulptur verweigerten.

Nun wollen zwei Ausgezeichnete des Jahres 2014 ihren Henri sogar einschmelzen – aus Protest gegen Nannen, der als junger Journalist in NS-Propaganda verstrickt war. Die US-Amerikaner Jacob Applebaum und Laura Poitras geben sich so überrascht wie empört. Doch ihre Kritik klingt selbstgerecht, weil sie weder den Druck der Diktatur berücksichtigt noch den Wandel des Menschen Henri Nannen. Peinlich ist sie obendrein: Die Vergangenheit des Verlegers hätte den beiden Wichtigtuern schon eine Google-Recherche offenbart. Die hätte man von ausgezeichneten Journalisten erwarten dürfen, bevor sie die Skulptur annahmen. Böses Nachtreten hat der Henri nicht verdient.