Der 38-Jährige muss große Erwartungen erfüllen

Es sind große Worte, die Benjamin Otto in den Mund nimmt, wenn er von seinem Online-Projekt Collins redet. Vom Beginn einer „neuen digitalen Epoche“ spricht er und von einem „Shop mit tausend Gesichtern“, der vor allem Frauen zum Stöbern und Kaufen von Mode verführen soll.

Helfen sollen dabei vor allem Entwickler und Kreative von außen, die Apps entwickeln, mit denen sich auf unterschiedliche Weise auf das Sortiment aus rund 50.000 Modeartikeln zugreifen lässt. Das Ganze wirkt ein wenig so, als habe sich der Apple-Konzern, der mit seinem iPhone die Apps vor Jahren zu einem Massenphänomen machte, entschlossen, ins Modegeschäft einzusteigen.

Ob aber tatsächlich die Kreativen nun in Massen zu Otto strömen und ihre Ideen gegen eine Umsatzbeteiligung in den Dienst des Handelskonzerns stellen, muss sich erst noch zeigen. Auch ist die Frage, ob die Kundinnen und Kunden nicht überfordert werden mit all den Unterprogrammen, die die Otto-Seite anbietet.

Auf der Präsentation am Montag war auffallend viel von Technik, aber nur wenig von Modetrends die Rede. In der obersten Führungsetage der Otto-Tochter sitzen zudem keine Frauen, obwohl diese doch eigentlich die Hauptzielgruppe des Shops sein sollen. Stattdessen geben Internetexperten den Ton an, die viel von „Social Media Content“ und „intelligenten Algorithmen“ sprechen.

Bei alldem geht es um viel für den Otto-Konzern und um noch mehr für Benjamin Otto. Die Hamburger wollen mit dem Projekt beweisen, dass sie im schnelllebigen Onlinegeschäft zu echten Innovationen fähig sind. Der Sohn des langjährigen Konzernchefs und heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Otto muss vor allem seine Führungsqualitäten unter Beweis stellen. Schließlich könnte er in einigen Jahren an die Spitze des Familienunternehmens rücken, auch wenn er sich dazu noch nicht äußern will.

Zu beneiden ist der 38-Jährige nicht um diese Aufgabe. Die Erwartungen sind so gewaltig, dass es fast unmöglich erscheint, ihnen auch wirklich gerecht zu werden. Vater und der Großvater Werner Otto haben tiefe Spuren im Konzern hinterlassen.