Warum wir umdenken müssen, wenn der 25. Mai nicht ein Desaster werden soll

Na, welches wichtige Ereignis ist heute in genau einem Monat? Machen Sie mal den Test und fragen Freunde oder Kollegen, Sie werden interessante Antworten auf die Frage bekommen (Champions-League-Finale? Start der Fußball-WM?), aber nie die richtige: Am 25. Mai sind in Hamburg Europa- und Bezirkswahlen, zum ersten Mal zusammen an einem Tag. Eigentlich eine interessante Kombination: Hier geht es um das große Ganze, die für alle immer wichtiger werdende Europäische Union, dort um das unmittelbar jeden direkt Betreffende, die Besetzung der Parlamente in den Bezirken. Klingt nicht nur gut und vor allem wichtig, ist es auch, und am besten wäre es, wenn alle hingehen und ihre Stimmen abgeben würden.

Leider ist die Wahrscheinlichkeit, dass es eher anders kommt, groß. Es ist zu befürchten, dass die Wahlbeteiligung desaströs ausfällt und dass die Europawahl die Wahlen in den Bezirken auf ein historisches Tief zieht. An der letzten Europawahl vor fünf Jahren beteiligten sich gerade einmal 34,7 Prozent der berechtigten Hamburger, ein Ergebnis, das zu den schlechtesten in ganz Deutschland gehörte und der Bedeutung der Europäischen Union für das Leben in dieser Stadt schon damals nicht gerecht wurde. Ein ähnliches Resultat in einem Monat wäre eine doppelte Katastrophe, eine Ohrfeige für die europäische Idee und eine denkbar schlechte Grundlage für die Arbeit der Bezirkspolitiker.

Die Gefahr ist erkannt, die Bürgerschaft investiert eine sechsstellige Summe, um gerade Erst- und Nichtwähler zum Gang an die Urnen zu überzeugen. Das ist verdienstvoll, wird aber allein nicht dazu führen, dass die mindestens erhoffte Wahlbeteiligung von mehr als 50 Prozent erreicht wird. Warum sollte beispielsweise ein Hamburger, der nicht einmal zu einer Bundestags- oder einer Bürgerschaftswahl geht, sich nun ausgerechnet für Europa und die Bezirke aufraffen? Das wäre so, als würde man versuchen, einen notorischen Sportmuffel mit einer Einladung zum Marathon aus seinem Sessel zu locken. Unmöglich.

Wer wirklich etwas für mehr Wahlbeteiligung tun will, und dazu sei an dieser Stelle jeder, der kann und will, ausdrücklich aufgerufen, sollte sich an die wenden, die zwar zu Bundestags- oder Bürgerschaftswahlen gehen, bei Europa aber aussetzen. Bei der Bundestagswahl 2013 stimmten immerhin rund 70 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger ab, also doppelt so viele wie 2009 bei der Europawahl. Wie kann man die Differenz, wie kann man die anderen gut 35 Prozent aktivieren? Warum stimmen sie, die sich offensichtlich für Politik und demokratische Teilhabe interessieren, in dem einen Fall ab und in dem anderen nicht? Das sind zwei der Fragen, die dringend zu klären sind, nein, die schon längst hätten geklärt werden müssen. Denn hier schlummert ein Potenzial, das erstaunlich groß ist und das doch zumindest teilweise aktiviert werden sollte.

Ein schneller Schritt auf dem Weg dorthin: Lasst uns wegkommen von der Fixierung auf den sogenannten Wahltag. Es ist nicht mehr zeitgemäß, die Menschen auf diesen einen Tag hinzusteuern, weil die Gefahr zu groß ist, dass dann irgendetwas dazwischenkommt. Der 25. Mai sollte nicht mehr und nicht weniger sein als die letzte Möglichkeit, seine Stimme abzugeben, und wer will, kann das selbstverständlich persönlich tun, in seinem Wahllokal um die Ecke. In Zeiten aber, in denen Kauf- und andere Entscheidungen nur einen Klick im Internet entfernt sind, sollten wir, solange Wahlen online noch nicht möglich sind, vor allem Werbung für die Briefwahl machen – übrigens gerade bei jüngeren Menschen, gerade bei Erstwählern. In diesem Sinne: Wählt in den nächsten Wochen, liebe Hamburgerinnen und Hamburger, ganz bequem von zu Hause aus. Auf dass unsere Stadt nicht wieder das Schlusslicht der Demokratie wird!