Schnelle PC-Hilfe durch freundliche junge Männer aus dem Internet? Wer’s glaubt, hat selber Schuld. Und bitte sagen Sie jetzt nichts

Kürzlich las ich ein lustiges Buch mit dem Titel „Drücken Sie alle Tasten gleichzeitig – Mein Leben mit Computern und ihren Angehörigen“.

Die Autorin Corinna Kammerer ist eine Computerflüsterin beziehungsweise ein Troubleshooter. Sie wird gerufen, wenn jemand mitten in der Nacht noch an den letzten Seiten seiner Diplomarbeit feilt und dann der PC abstürzt. Oder wenn sich in einem Unternehmen der Firmenserver verabschiedet oder wenn Menschen von Fehlermeldungen in den Wahnsinn getrieben werden. Frau Kammerer wird dann oft mit dem Ausruf „Hier drehen schon alle durch!“ empfangen. Ich gebe zu, beim Lesen empfand ich ganz hinten in meiner Großhirnrinde ein bisschen Schadenfreude. Die armen Schweine, dachte ich, bloß gut, dass mir das noch nicht passiert ist.

Man sollte eben nicht zu früh lachen. Vor ein paar Tagen ärgerte ich mich über meinen langsam schlurfenden PC und war erfreut, als mir per E-Mail ein „Tune up“ mit Optimizer-Programm angeboten wurde. Am Telefon erläuterte mir ein freundlicher junger Mann namens Tom in Boca Raton, Florida, wie viel Müll sich mit der Zeit auf so einer Festplatte ansammelt, welche veralteten Treiber da vor sich hin kompostieren und wie viel schneller der PC durch ein „Tune up“ würde. Der Preis betrug umgerechnet 44,98 Euro, und für das „Optimizing“ gab er mir einen Rabatt. Die PC-Reinigung erfolge online, ich könne jetzt erst einmal fernsehen, bis der Desktop das Schild „Complete“ zeige. Unter derselben Telefonnummer bekäme ich im Fall eines Problems rund um die Uhr Hilfe.

Nein, sagen Sie jetzt nichts. Im Allgemeinen bin ich vorsichtiger, aber ich hatte das PC-Schneckentempo einfach satt. Immerhin bekam ich eine detaillierte Bestätigungs-Mail, bevor es losging. Es war auch die letzte. Um es kurz zu machen: Nach anderthalb Stunden und „Complete“ hatte ich keinen Internetzugang mehr. Und der Computer war eher noch langsamer geworden.

Beim Rückruf nach Florida leitete mich ein freundlicher junger Mann namens Ben gleich an eine Operatorin weiter, die sich in Indien befand. Wir brauchten eine Weile, bis wir phonetisch miteinander warm wurden (deutsches und indisches Englisch sind nicht sofort kompatibel). Sie buchstabierte mir verschiedene Eingabebefehle durch, die ich in das Boot-Fenster eintragen musste.

Nach etwa 45 Minuten, vielen Ähs und einem Geräusch, das sich nach heftigem Blättern in einem Handbuch anhörte, rückte ihr Chef namens Jay nach. Er konnte aus den Tiefen der IT-Zentren im Bundesstaat Bangalore auch nicht feststellen, warum ich keine Netzwerkverbindung hatte. Irgendwann gab er auf, versprach aber einen Rückruf am nächsten Tag. Ich vermutete hinter dem Ganzen die NSA.

Zum Glück erreichte ich einen Freund, der wie Corinna Kammerer ein Troubleshooter ist. Er rückte am nächsten Nachmittag mit Laptop an, checkte zügig Netzwerkkarte und Modem und gab eine Diagnose: Offenbar war der „Uptuner“ und „Optimizer“ etwas zu radikal mit meinen Treibern umgesprungen. Wir installierten das Windows-Programm neu, tilgten sämtliche Spuren des Florida-Abenteuers, und vier Stunden später hatte ich meinen Internetzugang und einen deutlich schnelleren PC.

Inzwischen ist der Auftrag storniert, das Geld zurückgeordert. Im Internet fand ich etliche Erfahrungsberichte von Leidensgenossen, die ihre Computer aus dem Fenster warfen und Pay Pal nicht zurückbekamen. Darunter einige Franzosen, die schon an der Verständigung mit ihren Operators scheiterten (Pardon? Quoi? Hä?). Wäre die Sache nicht so ärgerlich, hätten wir es hier mit weltumspannendem großen Unterhaltungskino zu tun.

Fazit: E-Mails mit „Support“-Angeboten sofort löschen. Das Optimizing den Amerikanern auf ihrem eigenen Kontinent überlassen. Lieber zu Conrad oder einem anderen PC-Experten am Ort gehen. Erfahrungsberichte vorher lesen.

Übrigens meldete sich gestern wieder ein freundlicher junger Mann aus Florida namens Hal... So hieß der intelligente Bordcomputer in dem Film „2001 – Odyssee im Weltraum“. Erinnern Sie sich? Hal wusste, wie er sich an seinen Usern rächt.