Milli-Görüs-Islamisten stehen nicht mehr unter Beobachtung

Über mehr als ein Jahrzehnt gehörte die Beobachtung der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs zum Standardrepertoire der Verfassungsschützer, auch in Hamburg. Ihr Ziel einer weltweiten Islamisierung und nicht zuletzt das auf die Scharia bauende Rechtsverständnis standen von jeher in Widerspruch zur deutschen freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Mittlerweile aber trauen die Verfassungshüter insbesondere dem norddeutschen Ableger der weltweit aktiven Bewegung so viel Veränderungspotenzial und eine Abkehr vom radikalen Gründer Necmettin Erbakan zu, dass sie die Beobachtung für nicht mehr notwendig erachten. Das ist ein Schritt, der zur richtigen Zeit kommt und von dem alle Seiten profitieren könnten.

Diese Entwicklung birgt die Hoffnung einer weiteren Öffnung und Stärkung der demokratiefreundlichen Kräfte innerhalb der Bewegung, die allein in Hamburg knapp 1650 Mitglieder hat, deren verfassungsfeindliche Aktivitäten gegen null tendieren.

Das Ende der Beobachtung beinhaltet eine klare gesellschaftliche Aufwertung und gibt Milli Görüs die Chance, ein akzeptiertes und anerkanntes Gegengewicht zu den gewaltbereiten Strömungen innerhalb des Islamismus zu bilden. Dies gilt insbesondere für die umfassende Nachwuchsarbeit der Gemeinschaft, die den radikalen, den salafistischen Strömungen in der Hansestadt das Wasser abgraben könnte.

Es ist richtig, dass sich der Verfassungsschutz, insbesondere ein so personell eingeschränkter wie der der Hansestadt Hamburg, auf die radikalen verfassungsfeindlichen Kräfte konzentriert, im politischen wie im religiösen Bereich.

Dennoch ist die Entscheidung kein Persilschein. Milli Görüs ist und bleibt eine islamistische Gemeinschaft. Mit dem Ende der Beobachtung wird das positive gesellschaftliche Wirken der einzelnen Mitglieder anerkannt, die Ideologie dahinter aber bleibt konträr zu unserer Verfassung. Das Ende der Beobachtung ist damit auch eine Bewährungsprobe. Die Gemeinschaft sollte sie nutzen, um sich weiter von Erbakan zu emanzipieren.