Die jüngste amerikanische Verhandlungsinitiative scheiterte an Israelis wie Palästinensern – offenbar will niemand wirklich Fortschritte

Die Vorgänge in der Ukraine haben einen Dauerkrisenherd aus den Schlagzeilen verdrängt, der jedoch bald wieder in den Fokus rücken könnte: Nahost. Es hat erstaunlich wenig öffentliche Wellen geschlagen, dass der ehrgeizigste Vorstoß der USA seit Jahren zur Lösung des Konfliktes spektakulär gescheitert ist. US-Außenminister John Kerry hatte eine Menge Herzblut in diese Initiative gesteckt. Das Problem ist, dass zwar Kerry ein Friedensabkommen mit ganzer Kraft wollte, aber weder die israelische Regierung noch wesentliche Teile der palästinensischen Führung. Nun glauben nur noch sieben Prozent der Israelis, dass es in den kommenden Monaten eine Vereinbarung geben wird, wie der „Friedensindex“ aufgrund einer Umfrage der Universität Tel Aviv und des „Israel Democracy Institute“ (IDI) ergab. 87 Prozent aller Israelis meinen, die Chancen dafür seien nur noch gering. Aber 62 Prozent der Juden und sogar 80 Prozent der israelischen Araber sind für Friedensverhandlungen.

Das Problem bei den Palästinensern ist, dass Präsident Mahmud Abbas, genannt Abu Masen, allenfalls für eine Hälfte der Palästinenser sprechen kann. Die andere Hälfte wird von der im Gazastreifen herrschenden, radikalislamischen Hamas repräsentiert, die sich Israels Vernichtung auf die Fahnen geschrieben hat. Die Hamas hat erklärt, dass Abbas gar kein Verhandlungsmandat im Namen der Palästinenser habe. Abbas weiß nur zu gut, dass er kaum Verhandlungsspielraum hat und keine Zugeständnisse machen kann. Ihm ging es nur darum, bei Amerikanern und Europäern als gutwilliger Partner dazustehen – es geht um Geldzuwendungen für die Palästinenser – und aus den Israelis herauszuholen, was nur geht.

Israels Regierung wiederum geht davon aus, dass selbst der Abschluss eines Abkommens nur zu weiteren Forderungen der Palästinenser führen würde, die notfalls mit Terror gestützt würden. Die israelische Zeitung „Haa-retz“ schrieb, die Gespräche seien nur eine „Farce“ gewesen. Zwar sei es Kerry sehr ernst damit gewesen, den anderen Beteiligten jedoch nicht. Die Verhandlungen scheiterten, als Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sich absprachewidrig weigerte, die letzten 26 von 104 palästinensischen Häftlingen freizulassen; in Israel verurteilt hauptsächlich wegen Mord und Terrorismus. 78 sind bereits frei. Netanjahu zog die Reißleine, weil sein Kabinett im Streit über diese umstrittene Freilassung auseinanderzufallen drohte. Daraufhin brach auch Abbas ein Versprechen und beantragte für die Palästinenser die Aufnahme in 15 internationale Organisationen und Verträge. Dazu gehört die Genfer Konvention; mit ihrer Hilfe will Abbas Israel vor dem Internationalen Strafgerichtshof verklagen. Es war geradezu ein Akt der Verzweiflung, dass Kerry plötzlich die von den USA bislang strikt abgelehnte Freilassung des zu lebenslanger Haft verurteilten israelischen Spions Jonathan Pollard als Lockmittel für Israel ins Spiel brachte.

Zwei Drittel der Israelis befürworten die Zweistaaten-Lösung, die als Goldstandard zur Beilegung des Konfliktes gilt. Offiziell tut Netanjahu das auch, tatsächlich unternimmt er jedoch alles, um einen funktionsfähigen Palästinenserstaat unmöglich zu machen. In den von Israel besetzten Gebieten Ostjerusalem und Westjordanland leben bereits mehr als 600.000 jüdische Siedler. Und Netanjahu hat den Bau weiterer 3000 Wohneinheiten angekündigt – vor allem in der „E1“ genannten Schmalstelle des Westjordanlandes. Die jüdischen Siedlungen verwandeln das geplante palästinensische Staatsgebiet in einen unregierbaren Flickenteppich – und genau das ist wohl auch das Kalkül Netanjahus. De facto bedeutet seine völkerrechtswidrige Siedlungspolitik das Ende der Zweistaatenlösung.

Allerdings tut er das nicht nur aus Rücksicht auf die Hardliner in seiner Koalition. Allein am vergangenen Mittwoch feuerten radikale Palästinenser mehr als 70 Raketen auf Israel ab; Zehntausende Menschen flohen in Schutzbunker. Das geht seit Jahren so. Solange Organisationen wie Hamas und Dschihad die Vernichtung Israels anstreben, muss Israel befürchten, dass ein unabhängiger palästinensischer Staat rasch als Basis und Aufmarschgebiet für Angriffe dienen soll. Aus dem US-Senat wurde Kerry nun aufgefordert, die Verhandlungen endgültig abzubrechen und die Realitäten in Nahost anzuerkennen.