War es B) 1991? Und wer wird Millionär damit? Für viele ist der große Preis gar nicht wichtig. Sie lieben einfach den trivialen Zeitvertreib

Neulich in der S-Bahn saß ich neben gleich zwei Zeitgenossen, die mit gezücktem Smartphone ins Quizduell vertieft waren. Mehr als 15 Millionen User haben sich schon dafür registriert, und weil’s so schön ist, breitet die App-Unterhaltung sich jetzt krakenartig ins Fernsehen aus: Ab 12. Mai moderiert Jörg Pilawa 14 Folgen der interaktiven Quizshow in der ARD.

Nein, das hier wird nicht der 720. Artikel über das Suchtpotenzial von Quizduell. Es wird aber auch keine Ist-das-nicht-toll-Lobhudelei. Einige werten die Massenbegeisterung für Quizduell ja euphorisch als Beweis dafür, dass Wissen „auch im Zeitalter der Suchmaschinen eine Macht“ und auch für die Facebook-Gemeinde sexy sei. Man kann das Bildungswunder natürlich auch herbeischreiben wollen. Aber an eine plötzliche Einsteinisierung glaube ich nicht. Dutzende Internetseiten verbreiten ja schon, wie man den Gegner austrickst.

Nein, Quiz war einfach immer große Unterhaltung. Schon in den 70ern, als „Der große Preis“ mit Wim Thoelke als Straßenfeger Einschaltquoten von mehr als 50 Prozent hatte – heute unvorstellbar. Ein paar von uns Sauriern, die diese Show bis 1992 gesehen haben, werden sich erinnern: Vor jeder Sendung wählte das ZDF per telefonischem Test drei Kandidaten aus, die sich mit ihrem Spezialgebiet bewarben, das sie nicht beruflich erworben hatten. Zu jedem Kandidaten lud man einen Experten ein. Beispiel: Zum Thema Coco Chanel kam Karl Lagerfeld. Zu gewinnen gab es auch keine Millionen, sondern 10.000 Mark. Kulenkampff brachte es mit dem eurovisionären „Einer wird gewinnen“ sogar auf Einschaltquoten von 80 Prozent (1964 bis 1969, 1979 bis 1987). Jeweils vier Zweierteams traten gegeneinander an, mussten Theaterszenen raten, ihre Geschicklichkeit und Allgemeinwissen beweisen, zwischendurch gab’s Musik. Der Gewinner ging mit 8000 Mark nach Hause.

Sie ahnen, worauf ich hinauswill: Diese Quizshows hatten tatsächlich etwas mit gelerntem Wissen zu tun. Das war aber auch noch Fernsehen für Bildungsbürger. In unserer Wohngemeinschaft haben wir in den 80ern lieber „Trivial Pursuit“ gespielt. In der ersten Edition ging es in sechs Wissensgebieten um Fragen wie „Wer führte 1775 bis 1783 Krieg gegen England?“ (Antwort: nordamerikanische Kolonien) oder „Wie nennt man ein modernes Radio, das nur den Empfangsteil, aber keinen Verstärker hat?“ (Antwort: Tuner). Am schlechtesten schnitt ich bei Sport ab (Welches Kaliber wird heute beim Biathlon geschossen? Antwort: 22).

Bei Trivial Pursuit zeigt sich ganz klar: Der Wissenskanon löste sich langsam auf – nicht in Wohlgefallen, sondern in Spezial-, Halb- und Generationenwissen. Gewinnen kann man eigentlich nur, wenn sich die Mitspieler gegenseitig helfen und vorwiegend derselben Bildungsschicht und derselben Generation angehören. Bei Kinderserien haben Ältere oft keine Ahnung („Sesamstraße“), Jüngere passen bei der Vorkriegspolitik (Was war das Hauptziel der Komintern?).

Und es gibt keinerlei Hilfsvorgaben. Die vier Antwortangebote A, B, C, D, die erst später mit „Wer wird Millionär?“ kamen, sind nämlich oft nichts anderes als verkappte Hilfen. Wenn man beim Quizduell nicht weiß, wann Hape Kerkelings „Das ganze Leben ist ein Quiz“ ein Hit wurde (A: 1988, B: 1991, C: 1994 oder D: 2000), kann man vielleicht mithilfe der Jahreszahl die Antwort kombinieren (ich tippe auf 1991). Aber das klappt nicht immer, bestimmt nicht bei der Frage „Wie viel des Elements Astat befindet sich in der Erdkruste?“ (Antwort: 28 Gramm) oder „Was haben Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun gemeinsam?“ (sind Gasriesen). Quiz ist nix für Heulsusen.

Für die Lust an der Mess- und Vergleichbarkeit des eigenen Wissens gibt es natürlich noch andere Spiele. Mein Favorit war immer „Das Quiz des 20. Jahrhunderts“, das lässt schon mal die Punischen Kriege oder Megalithgräber außen vor, bietet zu jeder Frage drei Antworthilfen und dazu einen Glückswürfel. Gegen wen gewann Bobby Fischer 1972 die Schach-WM? Gegen Boris Spasski, in Reykjavik. Hab ich gewusst! Weil ich damals gelesen hatte, dass Fischer im Alltag nicht ganz rund lief. Oft geht es eben nicht um Bildung oder Wissen, sondern um den puren Erinnerungstango. Und der macht Spaß.

Irene Jung schreibt an dieser Stelle jeden Mittwoch über Aufregendes und Abgründiges im Alltag