Eine Glosse von Norman Raap

Ein warmer Apriltag mündet in einen lauen Abend. Viele Lokale auf St. Pauli servieren um kurz nach 22 Uhr noch Essen im Freien. Für ein paar Stunden scheint Hamburg in Südeuropa zu liegen, das Thermometer zeigt fast 20 Grad an. Es ist erst Montag, doch das Leben auf dem Kiez pulsiert, auch auf den Nebenstraßen ist erstaunlich viel Betrieb. Nur nebenan auf dem Dom ist so viel los wie im Volksparkstadion wenige Minuten nach Abpfiff. Nämlich nichts.

Oder, genauer gesagt: Fast nichts, denn das Riesenrad dreht sich noch bis um 23 Uhr, auch der höchste mobile Aussichtsturm der Welt (72 Meter) schraubt sich bunt beleuchtet in den Hamburger Himmel, und gegenüber schallt Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“ aus den Boxen. Doch etwas Wichtiges fehlt an diesem Abend um kurz nach 22 Uhr auf dem Heiligengeistfeld, das einer Geisterstadt mit schillerndem Las-Vegas-Ambiente gleicht. Die Besucher.

Die Wildwasserbahn Atlantis – bis auf den Kassierer verwaist. Karussells, Achterbahnen, Losverkäufer, Fischbuden und Zuckerbäcker – fast überall das gleiche, trostlose Bild. Wurstbrater wenden einsam ihre Restbestände auf dem Grill. Nur beim Dosenwerfen kreischt eine kleine Touristengruppe um die Wette. Und in das „Original Hexendorf“ scheint sich gar kein Besucher mehr zu trauen – wer ist schon gern allein unter Hexen?

Dabei übt der Rummel ohne Rummel eine seltsame Faszination aus. Was würden manche Menschen dafür geben, dass der Dom nur für sie geöffnet wäre – und die Wartezeit für alle Attraktionen gleich null? Sich zu fühlen wie ein Milliardär auf seinem Privatjahrmarkt oder wie der King of Pop in Neverland – unbezahlbar.