Die Aktivitäten der 13- bis 18-Jährigen im Internet werden automatisch ausgewertet. Der Gesetzgeber muss helfen

Meine siebenjährige Tochter, die sich ohne unsere Erlaubnis ein Smartphone für 200 Euro auf Raten kauft, ist gesetzlich eindeutig geschützt. Der Vertrag ist unwirksam und hängt in seiner Wirksamkeit von unserem Elternwillen ab. Zahlen muss sie es nicht.

Ganz anders verhält es sich, wenn sich meine Tochter im Web mit Fotos, Werturteilen und auch persönlichsten Informationen über sich, über ihre Eltern und über Freunde präsentiert. Hier hilft ihr das Recht nur wenig. Gleiches gilt, wenn sie im Web Musik hoch- oder herunterlädt oder sich an Fotos und Filmen aus dem Web bedient. Ich werde diese Online-Aktionen meiner Tochter kaum bemerken. Das ändert sich erst, wenn mich ein Anwalt abmahnt oder die Polizei vor der Tür steht.

Der Gesetzgeber lässt uns Eltern hier allein. Was können wir gegen einzelne Einträge bei Facebook oder in anderen sozialen Netzwerken unternehmen? Wie intensiv müssen wir mit unseren Kindern über die Webnutzung reden? Ein Katalog der Mindestaufklärung fehlt nach wie vor. Jetzt hat das EU-Parlament eine Datenschutzgrundverordnung verabschiedet, nach der unsere Kinder mit 13 Jahren vollständig internetmündig werden. Die Zustimmung des Rats steht noch aus. Doch um die 13-Jahre-Grenze gibt es kaum Streit. Danach können Kinder ab 13 zwar nicht alles im Internet kaufen. Doch all ihre Dateneingaben können sie quasi eigenverantwortlich erledigen (Art. 8), ohne Schutz vor den Folgen.

Tritt das EU-Datenschutzgesetz in Kraft, geht nicht nur der Schutz unserer Kinder verloren. Heute fallen riesige Datenmengen über uns an, die im Internet mehr und mehr verfügbar werden. Wir selbst geben in sozialen Netzwerken, durch Nutzung von Smartphone-Apps oder in Internetanwendungen ständig sehr viele Informationen über uns, unsere Beziehungen und unsere Freunde preis. Dies erleichtert uns das Leben in vielfacher Weise. Auch unsere Kinder können sich über soziale Netzwerke austauschen. An Gewinnspielen können sie online teilnehmen. Ihre sportlichen Daten können sie als Trainingsprofil speichern. In Portalen und Blogs können sie ihrer Meinung freien Lauf lassen. All das kann Vorteile haben, weil die automatischen Computersysteme diese Informationen über uns immer häufiger und immer zielorientierter verwenden können.

Gleichzeitig führt das Auswerten dazu, dass unsere Kinder und auch wir durch Firmen und Behörden mithilfe des Computers zunehmend beurteilt werden, ohne dass man uns fragt. So kann man aus den Datenspuren im Netz früh die Kreditwürdigkeit abschätzen oder bei einer Krankheits- und Medikamentenrecherche auf Krankheitsrisiken rückschließen.

Diese Einschätzungen haben auch Nachteile. Denn sie wirken wie eine Empfehlung an eine bestimmte weiterführende Schule. Die automatisierten Einschätzungen ordnen unsere Kinder in Schubladen ein. Es wird immer schwerer für sie, aus diesen Schubladen wieder herauszukommen. Wie ein psychologisches Gutachten den Lebens- und Karriereweg nachhaltig beschränken kann, führt die Nutzung der massenhaften Datenspuren unserer Kinder dazu, dass ihnen bestimmte Wahlmöglichkeiten genommen werden. Sie landen in einer Schublade beispielsweise für ihre Bereitschaft zur Bezahlung eines Kaufpreises.

Für uns als Erwachsene mag das in einem „globalen Dorf“, wie wir unsere Welt heute nennen, dazugehören. Doch bei unseren Kindern muss der Staat den Schutz aufrechterhalten. Während die Gerichte noch versuchen, den Minderjährigenschutz hochzuhalten, zieht sich der Gesetzgeber beim Schutz der Dateneingaben unserer Kinder vermutlich aus Hilflosigkeit zurück. Unsere Kinder sind auf den Schutz im Netz angewiesen. Es mag sein, dass sie technisch vom Internet viel verstehen. Doch die Folgen können sie weit weniger abschätzen als wir. Hier darf der Staat nicht allein auf Eltern verweisen. Denn wir können das Internet gegenüber unseren Kindern nicht abschließen. Sie sollen den Umgang mit dem Web lernen. Mein Appell an den Gesetzgeber: Schützt die Kinder, dass sie von 13 bis 18 dazulernen können, ohne zu früh für ihre Folgen allein einstehen zu müssen. Der Gesetzgeber muss uns Bürgern helfen. Allein verliert nicht nur meine kleine Tochter den Überblick, sondern wir alle!