In kaum einer Frage liegen die Generationen so weit auseinander wie beim Fleischkonsum. Höchste Zeit für einen guten Schlachtplan.

Eine Freundin von mir ist jetzt Veganerin geworden. Sie wohnt zwar in Frankfurt, aber ich kann es trotzdem mitverfolgen, auf Facebook postet sie regelmäßig Fotos von dem, was sie jetzt so zu sich nimmt: Avocado-Reismilch zum Beispiel oder einen „Sauerkraut-Soother“ mit Ananas und Äpfeln. Nicht so toll war wohl der „Spinach Slasher“ – eine Symphonie aus Spinat und Ananas, ihr Mitbewohner fügte dem Foto einen nicht so freundlichen Kommentar hinzu. Ein großer Erfolg hingegen ist der Broccoli-Smoothie mit Rucola, Banane und Chiliöl gewesen: Der Nachbarin habe das sehr geschmeckt (sie ist allerdings auch nicht bei Facebook).

Ich kann mir vorstellen, dass das nicht jedem so geht, aber ich werde beim Anblick solcher Fotos immersehr neidisch. Ich denke dann, dass ich auch dringend gesünder leben müsste – gesünder und vegan, zumindest mal für einige Zeit. Wenn ich meinem Vater von diesen Gedanken erzähle, seufzt er meist ausdauernd und schüttelt den Kopf. Für ihn löst ja schon der Gedanke an ein vegetarisches Leben Stirnrunzeln aus, „der Mensch ist dafür nicht gemacht“, sagt er dann immer, „der Mensch ist ein Fleischfresser“. Alle Argumente dagegen helfen nichts. Jedes Wochenende spielt sich bei uns dasselbe Ritual ab: Mein Vater studiert die Angebote der örtlichen Supermärkte und gibt meiner Mutter, die gerade irgendwo anders im Haus zugange ist, den aktuellen Kilogrammpreis für Schweinefleisch durch. Ich brülle dann meist den Preis für Dinkel-Bratlinge hinterher.

Es gibt genau zwei Dinge, mit denen ich meinen Vater bis aufs Mark erschüttern kann: Veganer zu werden – oder die Linke zu wählen. Man muss dazu wissen, dass mein Vater Offizier im Ruhestand ist, er hat einen Großteil seines Lebens bei der Bundeswehr verbracht, allerdings bevor es dort Frauen, interkulturelle Beratung und vegetarische Gerichte gab. Immer wenn ich meinem Vater sage, dass es inzwischen bestimmt auch bei der Bundeswehr Vegetarier gibt, sehe ich ihn innerlich aufstöhnen. Ab und zu verzichte er ja auch gern auf Fleisch, sagte er vor Kurzem und streichelte parallel dazu die Katze, die gerade auf seinen Schoß gesprungen war. Da fiel mir spontan die Kampagne der Albert-Schweitzer-Stiftung ein, die ich neulich im Netz gesehen hatte: „Wen streicheln? Wen essen?“ Die Frage gab ich an meinen Vater weiter.

Im Grunde ist er nämlich total tierlieb. Als es beim Einzelkämpferlehrgang darum ging, fürs Abendbrot ein Huhn zu schlachten, war er mal kurz im Wald verschwunden: Pilze und Kräuter für die Brühe sammeln. Aber klar, sobald das Fleisch koch- und bratfertig beim Schlachter liegt, kann man den ganzen blutigen Rest ja auch einfach verdrängen. Wusstest du eigentlich, dass Muttersauen ihren Babys etwas vorsingen, während sie sie säugen, fragte ich meinen Vater deshalb neulich während des Frühstücks, er biss gerade in sein Wurstbrot. Plötzlich sah er sehr traurig dabei aus. Dass Schweine auch träumen, gerne Musik hören und Videospiele besser spielen als manche Primaten, erzähle ich ihm wohl besser später, dachte ich mir. Die Feiertage kommen ja noch.

Ich glaube, dass es wenige Konsumbereiche gibt, in denen sich die Kluft zwischen den Generationen so deutlich niederschlägt wie beim Fleisch. Für meinen Vater, ein Kind der 50er-Jahre, war und ist der Preis für ein Kilogramm Schweinefleisch viel mehr als nur die Zahl in irgendeinem Werbeprospekt. Sie steht für die eigene Möglichkeit zum Wohlstand, fürs Sattwerden in einer Zeit, als es Lebensmittel noch nicht im Überschuss gab. Als man aber auch mit dem, was für den eigenen Bedarf hielt und tötete, noch anders umging.

Was für meinen Vater das Schweinefleisch ist, sind für mich inzwischen Eier und Quark. Und doch will ich versuchen, weniger davon zu essen. Die Produktionsbedingungen in der Milchindustrie sind ja nicht wesentlich besser als die in den Mastbetrieben.

Bei meinem Vater hat die Zermürbungstaktik im übrigen gefruchtet: Er isst jetzt morgens keine Wurst mehr, und höchstens drei Mal die Woche Fleisch. Meine Mutter isst ohnehin auf meiner Seite. Für mich gilt dadurch: Was mein Vater kann, das kann ich auch. Spätestens im Herbst dieses Jahres möchte ich Veganer sein. Auch wenn es auf dieser Welt nichts gibt, das ich lieber esse als Milchreis.