Der Appell von drei renommierten Hamburger Politikern kommt zur richtigen Zeit.

Hinterher ist man immer schlauer – vermutlich zitieren heute einige aktive Sozialdemokraten den alten Satz, nachdem Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) sowie die Ex-Senatoren Wolfgang Peiner (CDU) und Willfried Maier (Grüne) am Freitag ihren Brief zur Lage der Universitäten vorstellten. Es mag um einiges leichter sein, Politik von der Ehrentribüne zu kommentieren, als auf dem Spielfeld die richtigen Entscheidungen zu treffen: Ehemalige tragen weder die finanzpolitische Verantwortung, noch müssen sie Rücksicht nehmen auf Parteifreunde oder Interessengruppen. Das mag ein Grund sein, warum der Ruhm ehemaliger Politiker mit jedem Jahr fern des Amtes wächst.

Doch es wäre ein fataler Fehler, den Vorstoß der drei als Auftritt der Eitelkeiten abzutun. Peiner, Dohnanyi und Maier stellen als engagierte Bürger nicht nur die richtigen Fragen – sie geben auch die richtige Antwort. Hamburg muss sich neu erfinden. Seit Jahrhunderten lebt die Stadt von Handel und vom Hafen – beides bleibt wichtig, kann aber nicht für alle Zeiten die zentrale Säule von Wirtschaft und Wohlstand bleiben.

Das maritime Kraftzentrum um Hapag-Lloyd, HHLA und HSH Nordbank schwächelt, Schifffahrtskrise, Pleiten, Übernahmen prägen das Bild, gemeinwohlvergessene Umweltverbände klagen gegen die Elbvertiefung. Wer die Trends im Welthandel und die Größe zukünftiger Containerriesen kennt, darf an der Zukunft eines Hafens 100 Kilometer landeinwärts zweifeln.

Umso wichtiger sind die Weichenstellungen für morgen. Peiner und Co. geben mit dem Schlagwort von der Wissenschaftsmetropole die Richtung vor. Die Ideen von heute sind das Geschäft von morgen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen müssen die neuen Kraftzentren werden.

Es war eine Fehlentscheidung, den Neubau der Universität auf dem Großen Grasbrook aus Rücksicht auf das Wehklagen der Betroffenen abzusagen. Wer den Teich trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen: Eines der Hauptprobleme hiesiger Hochschulen ist es seit Langem, dass sich zu viele gemütlich im Mittelmaß eingerichtet haben, sich am liebsten mit sich selbst beschäftigen und Exzellenz eher als Bedrohung denn als Ziel verstehen.

Natürlich gibt es Leuchttürme – das Desy oder die Klimaforschung gehören dazu. In der Breite aber regiert das Mediokre. Es ist bezeichnend, dass einer der bekanntesten Hamburger Dozenten der verstorbene Dietrich Schwanitz ist, wegen seiner Unisatire „Der Campus“. Schlimmer noch: Das Buch könnte auch im Jahr 2014 in Hamburg spielen.

Besserung ist kaum in Sicht: Der Senat schrumpft die Hochschulen mit Etatzuwächsen unterhalb der Preissteigerung. Selbst für Vorzeigeprojekte wie den Energie-Campus in Bergedorf gibt die Politik nur 3,9 Millionen Euro – für die Busbeschleunigung sind es bis 2020 übrigens 259 Millionen Euro. Ein „Silicon Valley“ für erneuerbare Energie, so richtig das Ziel ist, wird Bergedorf mit diesen Peanuts nicht. Dabei muss die „Hauptstadt der Windenergie“ das elementare Interesse haben, die besten Ingenieure, Verfahrenstechniker oder Physiker auszubilden.

Die Frage nach den Finanzen darf aber keine Ausrede für die Hochschulen sein, ihrerseits die Hände in den Schoß zu legen. Geld mag eine Bedingung für Leistung sein. Es gilt aber auch andersherum – Qualität sollte Voraussetzung für Förderung werden. Die Hochschulen müssen sich untereinander und in der Stadt besser vernetzen. Es bedarf des Mutes, auf Wirtschaft und Mäzene zuzugehen. Zugleich geht es um forschungsfreundliche Strukturen, um flache Hierarchien, um Lust auf Leistung.

Der Hafen wurde nicht über Nacht zu einem Welthafen; genauso wenig wird Hamburgs Hochschullandschaft binnen kurzer Zeit zur Weltspitze aufschließen. Aber das Ziel sollte klar sein: Wer an die Spitze will, muss Exzellenz wagen.