CDU-Fraktionschef Wersich wirft Scheuerl raus und schärft damit sein Profil

Der abrupte Rauswurf von Walter Scheuerl aus der Hamburger CDU-Bürgerschaftsfraktion markiert das Scheitern eines strategischen Bündnisses. Als der damalige Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) Scheuerl 2010 überzeugen konnte, auf CDU-Ticket für die Bürgerschaft zu kandidieren, war das der Versuch eines Befreiungsschlags aus höchster Not – und der Beweis eigener Schwäche. Ahlhaus holte schließlich den größten und schärfsten Kritiker der CDU-Schulpolitik ins Boot. Scheuerl hatte das schwarz-grüne Projekt der sechsjährigen Primarschule mit einem Volksentscheid wenige Monate zuvor hinweggefegt. Nun sollte er jenen großen Teil des Bürgertums, der sich wegen der Primarschulidee von der Union abgewandt hatte, wieder mit der Partei versöhnen.

Doch die Sache hatte von Beginn an einen Webfehler: Schon damals sagte Scheuerl, dass er in die CDU des einst bekennenden Primarschul-Befürworters Marcus Weinberg nicht eintreten werde. Eine wirkliche Integration in die CDU hatte Scheuerl ja ohnehin nie im Sinn. Ihm ging es darum, Politik auf eigene Rechnung zu machen.

Als Parteiloser in der CDU-Fraktion hatte Scheuerl die Unabhängigkeit, auch weiterhin als Protagonist seines Netzwerks „Wir wollen lernen“, zu agieren. Die Union hat sich auf dieses gewagte Experiment eines Doppelspiels eingelassen, weil ihr keine andere Wahl blieb und sie von diesem exzellent informierten und zuspitzend formulierenden Rechtsanwalt mit allerdings gelegentlich eigenwilliger Fakteninterpretation auch durchaus profitiert.

Doch je näher die Bürgerschaftswahl rückt, desto deutlicher mussten die fundamentalen Differenzen zwischen Scheuerl und der CDU-Schulpolitik zutage treten. Der Primarschul-Verhinderer ist in erster Linie ein Anwalt der Gymnasien. Den Stadtteilschulen billigt Scheuerl in erster Linie die Aufgabe zu, Schüler zu einem guten Haupt- oder Realschulabschluss zu führen. Das Abitur an der Stadtteilschule ist für ihn nur ein netter Zusatz, kein Konstruktionsmerkmal dieser Schulform wie für die CDU.

So ist es kein Zufall, dass es nun zwischen der Unions-Fraktion und ihrem Solisten beim Streit um den längeren Weg zum Abitur am Gymnasium geknallt hat, der die Stadtteilschulen benachteiligen würde. Scheuerl sympathisierte von Beginn an mit der Volksinitiative „G9-Jetzt-HH“, was schon für sich genommen mehr als ein Nadelstich gegen die CDU war, weil unter deren Verantwortung G8 2002 eingeführt worden war. Bis aufs Äußerste reizte Scheuerl als Vorsitzender des Schulausschusses seine Fraktionskollegen schließlich, als er bei einer Fristverlängerung für die Volksinitiative eigenmächtig agierte.

Die Retourkutsche für erlittene Demütigungen kam nun in der Weise, dass sich CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich und die Schulpolitikerin Karin Prien Scheuerl bei ihrem Kursschwenk in Sachen G9 vor vollendete Tatsachen stellten. Auf die absehbare Kritik des Rechtsanwalts an den CDU-Vorschlägen folgte der Rauswurf. Eine zwangsläufige Eskalation.

Scheuerls politische Zukunftsperspektive ist jetzt offener denn je: Auch die FDP wird ihm kein Plätzchen mehr anbieten. Scheuerl könnte sich allenfalls auf das Wagnis einlassen, bei der konservativen Alternative für Deutschland anzudocken. Für die CDU birgt der Rauswurf durchaus Risiken. Scheuerl wird nun die außerparlamentarische Opposition gegen die Rathauspolitik wieder stärken. Auch wenn die Abschaffung von G8 nicht seine Herzensangelegenheit ist, könnte ihn das Spiel reizen, an der Seite der Volksinitiative offen Front gegen den SPD-Senat und die CDU zu machen.

CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich, der sich anschickt, Unions-Bürgermeisterkandidat 2015 zu werden, hat mit dem emotional begründeten Rauswurf des Unbotmäßigen innerparteilich sein Profil geschärft. Der Wahlkampf nimmt an Fahrt auf.