Der HSV steht an Europapokaltagen im Abseits. Und das wird sich auch so schnell nicht ändern.

„Wenn man sieht, wer jetzt noch im Viertelfinale dabei ist – das ist die Crème de la Crème des europäischen Fußballs – und wir.“ Das sagte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp im Interview mit dem Bezahlsender Sky. Der BVB-Coach wirkte trotz der 1:2-Niederlage seines Vereins gegen St. Petersburg zufrieden. Im Viertelfinale stehen mit dem FC Bayern, Atletico Madrid, Paris St. Germain, FC Barcelona, Real Madrid, FC Chelsea, Manchester United und Borussia Dortmund tatsächlich nur noch die ganz großen Vereine. Die „Kleinen“ sind auf der Strecke geblieben. So wird es wohl auch künftig sein.

Wenn großer internationaler Fußball übertragen wird, erkennt man den HSV-Fan an tränenden Augen, hängenden Ohren und den Sorgenfalten auf der Stirn. Das sind schon harte Prüfungen für den hanseatischen Fußball-Anhänger, denn jedem dürfte klar sein: Es wird lange dauern, ehe der HSV wieder in einem solchen erlauchten Kreis auftauchen wird. Wenn überhaupt. Selbst in der Europa League, von Franz Beckenbauer einst „Verlierer-Cup“ genannt, standen im Achtelfinale fast nur namhafte Clubs wie FC Valencia, Olympique Lyon, Benfica Lissabon, AC Florenz, Juventus Turin, SSC Neapel und FC Porto.

Die Bundesliga, von vielen (irrenden) Experten als beste Liga der Welt bezeichnet, blieb bis auf die solventesten Vereine frühzeitig auf der Strecke. Ein Armutszeugnis. Und obwohl Dortmund nun wieder im Viertelfinale der Champions League steht, herrschte nach dem Spiel am Mittwoch eine höchst seltsame Stimmung unter den Fans. Was viele BVB-Profis monierten. Mittelfeldspieler Nuri Sahin beispielsweise befand: „Ich hatte das Gefühl, dass wir uns entschuldigen müssen, dass wir trotz der Niederlage unter den letzten acht sind.“

Das ist schon seltsam. In der schwarz-gelben Bier-Metropole sind sie unzufrieden, obwohl es viele grandiose Erfolge zu feiern gab, und in Hamburg sind sie gerade dabei, wieder eine Einheit zu werden – trotz des oftmals grausamen Fußballs, den der HSV seinem Anhang über Jahre unter dem Siegel „Erste Bundesliga“ geboten hat. Not schweißt zusammen, so heißt es im Volksmund, und der Not gehorchend wissen inzwischen die meisten HSV-Fans, dass sie zu ihrem Team stehen müssen, um so mitzuhelfen, dass der erstmalige Abstieg doch noch vermieden wird. In der Not zeigen sich die wahren Freunde, und die hat der HSV jetzt beinahe schon wieder einheitlich hinter sich versammelt. Das war gewiss nicht immer so, aber vielleicht kam dieser Zusammenschluss gerade noch rechtzeitig.

Im Volkspark ist die Arena auch im Abstiegskampf fast immer bestens gefüllt, und die Stimmung hält 90 Minuten lang jedem internationalen Anspruch stand. Vor Wochen bat der Unternehmer Frederik Braun (Miniatur Wunderland) darum, dass alle HSV-Fans alle zehn Spielminuten für ihren Club singen und sich erheben („Steht auf für den HSV“) – diesem Aufruf wird immer noch gefolgt, überwiegend im Norden und Nordosten. Auch wenn es nur ein kleines Zeichen ist, aber darum geht es in der Not. Vor Wochen noch pfiffen einige Fans ihre „Lieblinge“ aus, machten eigene Spieler bei Fehlleistungen nieder – heute wird nach jeder guten oder auch nur halbwegs gelungenen Aktion Beifall spendiert und damit wertvolle Aufbauhilfe geleistet. Ganz eindeutig: Verein, Mannschaft und Fans sind in diesen schlimmen Zeiten enger zusammengerückt. Auch das Hamburger Abendblatt stärkt dem „Dino“ demonstrativ den Rücken, zeigt der Stadt dieser Tage, worum es geht: „Niemals 2. Liga“.

Abgerechnet werden darf dann nach dem letzten Spieltag am 11. Mai. Ob sich Aufwand und Einsatz gelohnt haben und ob das alles von Dauer sein kann. In dieser Woche hat Holger Hieronymus bei einer Sky-Diskussion gesagt, dass er generell gegen ein Nachtreten ist, dass Nachtreten ein böses Foul und mit Rot zu ahnden sei. Es ging dabei um das Missverständnis Bert van Marwijk, der als Trainer des HSV versagt hat. Im Prinzip hätte Hieronymus sogar recht, wenn der HSV nicht immer dieselben Fehler begehen würde. Das muss aufgearbeitet werden, denn sonst würden sich solche personellen Fehlgriffe wiederholen, bis der HSV eines Tages tatsächlich nicht mehr zu retten ist. Trotz seiner großartigen Fans.