Die Mehrheit der Hamburger ist gegen eine Flora-Räumung

Wir können keine rechtsfreien Räume dulden – das sagt sich so einfach. Unrecht wird nicht zu Recht, nur weil es lange genug bestehen durfte – das auch. An der Roten Flora im Schanzenviertel werden seit vielen Jahren zahlreiche ordnungspolitische Grundregeln abgearbeitet, mal mit mehr, mal mit weniger Verve. Und je nachdem, welche Partei gerade in der Regierungsverantwortung steht, zuckt diese dann doch bei der Umsetzung zurück, denn das Risiko einer Räumung ist schlicht zu groß – es ist ja schließlich nicht so, dass die längst geduldeten Besetzer dann traurig in ihr Kämmerlein verschwinden würden und Ruhe herrschte. Vielmehr würde eine unabsehbar lange Phase der Krawalle mit Beteiligten vermutlich aus ganz Europa stattfinden. Ergo: Der Staat stößt hier an seine Grenzen, die normative Kraft des Faktischen verdrängt die reine Lehre, nach der sich keine Gruppe mehr rausnehmen darf, als Recht und Gesetz es zulassen.

Am Ende ist es eine Frage der Vernunft, die sich auch in den Umfrageergebnissen unter den Hamburgern, die weit mehrheitlich am jetzigen Status der Roten Flora nicht rütteln möchten, widerspiegelt. Ein Gemeinwesen lebt eben im Hier und Jetzt und formuliert für diese Phase der eigenen Verantwortlichkeit auch jene kleinen Fluchten aus dem ansonsten akzeptierten Regelwerk, die eine pluralistische Ordnung eigentlich immer an den Rändern hervorbringt. Noch vor zehn oder 20 Jahren wäre die Umfrage mutmaßlich anders ausgefallen, und die Forderung nach einer Räumung um jeden Preis hätte mehr durchgeschlagen. Aber seitdem ist viel passiert, global und lokal. Wer sich heute gegen die Walze des Mainstreams stellt, ist nicht gleich ein Versager, aber auch nicht automatisch ein Held. Er kann im besten Fall ein Impulsgeber sein, wobei da aus der Floristen-Szene weit mehr kommen könnte als dumpfe Ablehnung des Staates.

Aber bei aller Liberalität bleiben doch Punkte, die nicht verhandelbar sind. Dazu gehört unbedingt der Gewaltverzicht. Danach sind die Hamburger in der aktuellen Erhebung nicht explizit befragt worden. Und das mit gutem Grund: Wir kannten die Antwort schon.