Beim Zensus 2011 in Hamburg gab es so viele Fehler, weil die Politik versagt hat

Als Roms Kaiser Augustus vor gut 2000 Jahren wissen wollte, wie viele Menschen in seinem Reich leben, erließ er ein Gebot. Alle Welt sollte geschätzt werden. Auch Maria und Josef machten sich auf den Weg, um sich an ihrem Geburtsort registrieren zu lassen. Der weitere Verlauf dieser Reise nach Bethlehem ist bekannt. Die Weihnachtsgeschichte ist auch so etwas wie eine Urgeschichte der Bevölkerungsstatistik.

Heute, im Deutschland des 21. Jahrhunderts, werden so emsig Daten über uns gesammelt, dass man meinen müsste, die Verwaltungen könnten quasi per Knopfdruck sagen, wie viele wir sind. Der NSA-Skandal, freizügige Angaben in sozialen Netzwerken wie Facebook, Daten für Bonuspunkte in Supermärkten – das alles zeigt, wie gläsern wir Deutschen eigentlich sind.

Aber so einfach funktioniert eine Volkszählung nicht. Zwar gibt es Gesetze, dass jeder sich an seinem Wohnort anmelden muss. Und die meisten tun das auch. Aber es existieren keine einheitlichen Register. Das ist das Problem der aktuellen Bevölkerungsstatistik.

Lange hat sich daran niemand gestört. Aber als vor einem guten halben Jahr die neuen Einwohnerzahlen verkündet wurden und es plötzlich 1,5 Millionen Deutsche weniger gab, war die Aufregung groß. Die Einwohnerzahl ist Grundlage für viele Entscheidungen und Regelungen vom Kita-Ausbau bis zum Länderfinanzausgleich. Dabei geht es immer um Geld und darum, wie es gerecht verteilt wird. Vor allem die größeren Städte und Gemeinden haben aber massiv Einwohner verloren, in Hamburg sind es 83.000. Der Einwohnerschwund entspricht in etwa der Größe von Städten wie Tübingen oder Konstanz. Kann das wirklich sein?

Inzwischen ist klar, die Zweifel sind berechtigt. Der Zensus 2011 – wie die Volkszählung offiziell heißt – ist ein hochkomplexes Projekt, bei dem Zigmillionen Daten zusammengeführt und abgeglichen wurden. Anders als Kaiser Augustus, der alle Untertanen an einen Ort beordern konnte und dort zählen ließ, basiert das Ergebnis auf einer hochgerechneten Stichprobe. Und genau da liegt offenbar ein entscheidender Fehler. Größere Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern wurden durch die Anwendung unterschiedlicher Statistik-Verfahren benachteiligt. Qualitätsmängel werden vom Statistischen Bundesamt vertuscht. Eine Volkszählerin, die für den Zensus Bürger befragt hat, erzählt, dass sie für ihre Daten nicht die Hand ins Feuer legen würde. Derzeit rollt im ganzen Land eine Klagewelle an. Hamburg prüft eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Die Politiker in diesem Land haben sich beim Thema Volkszählung weggeduckt. Weil es 1987 bei der letzten Volkszählung einen Massenaufstand gab, verpassten sie die Chance, ein gutes System für die Zählung zu entwickeln. Stattdessen verabschiedeten sie das Zensus-Gesetz, das genau die Widersprüche im Verfahren jetzt hervorbringt.

Die Politiker müssen definieren, wie transparent eine Volkszählung sein soll. Und sie müssen erklären, was Datenschutz bedeutet – und wann er einfach nur für eine billige Auskunftsverweigerung herhalten muss.

Statistik ist in Deutschland eine unübersichtliche Sache. Jedes Bundesland hat sein eigenes statistisches Amt. Experten fordern schon lange eine zentrale Statistikbehörde, die ähnlich wie in den Niederlanden oder den USA der Verwaltung als Forschungseinrichtung die notwendigen Zahlen liefert. Auch die Melderegister, die nicht bereinigt werden dürfen, brauchen eine neue Struktur. Die nächste Zählung benötigt eine bessere Datenbasis. Auch wenn die Klagen der Kommunen gegen den Zensus ohne Erfolg bleiben sollten, das Vertrauen in den Zensus ist erstmal verloren. Es wird ein mühsamer Weg, es wieder aufzubauen.