Im Hinblick auf die brisante Jahreshauptversammlung des HSV kann die Partie am Sonnabend gegen Mainz richtungsweisend sein.

Der nächste Gegner ist bekanntlich immer der schwerste. Selten traf Sepp Herbergers ewige Fußball-Weisheit so sehr zu wie vor dem kommenden Heimspiel des HSV, dem letzten des Jahres, gegen Mainz 05. Denn das Spiel gegen den „Karnevals-Club“ an diesem Sonnabend wird richtungsweisend sein. Gewinnen die Hamburger diese Partie, dann dürfen sie davon träumen, 2014 das Feld doch noch von hinten aufzurollen. Sollte allerdings ein Punkt oder sogar drei Zähler nach Mainz gehen, dann dürften nicht nur alle Ziele von einem ordentlichen Tabellenplatz wie eine Blase geplatzt sein, dann dürfte auch in vielerlei Hinsicht Feuer unter dem Dach der Arena im Volkspark sein. Sportlich wie innerbetrieblich.

Für die junge Hamburger Mannschaft wird die Aufgabe gegen Mainz zur Nagelprobe. Sie wird in diesem eigentlich „ganz normalen“ Bundesliga-Spiel (endlich) zeigen müssen, dass sie die Worte ihres Trainer nicht nur verstanden, sondern auch verinnerlicht hat. Es muss jetzt, auch wenn es ausgerechnet das letzte Spiel des Jahres ist, eine Reaktion geben. Alles weiter so still vor sich hin plätschern zu lassen wäre ein falsches und absolut falsches Zeichen des Tabellen-13.

Bert van Marwijk war vor einer Woche aus der Haut gefahren, weil ihn der desolate Auftritt seiner Spieler beim 0:1 im Heimspiel gegen Augsburg noch immer wurmte. Neben anderen kernigen Sätzen hatte der Niederländer in einer Mischung aus Verärgerung und Enttäuschung verkündet: „Ich höre hier jeden Tag von Sachen, von denen ich denke, das kann doch nicht wahr sein.“ Und, konkreter: „Es gibt hier eine Zufriedenheit, von der ich das Gefühl habe, dass die von allen akzeptiert wird. Die sind alle eingeschlafen. Dass das normal ist, denken die, aber das ist in meinen Augen nicht normal.“

Der Trainer hat recht. Irgendwie sind in Hamburg und Umgebung viele Fußball-Anhänger – weit entfernt von internationalen Aufgaben – tatsächlich eingeschlafen oder in eine Art Lähmungszustand gefallen. Sie nehmen es inzwischen beinahe klaglos hin, wenn der HSV wieder einmal versagt und nur höchst mittelmäßig gespielt hat. All das scheint völlig normal. So kennen die HSV-Fans ihre „graue Maus“, so haben sie ihre Erfolglosigkeit trotz gelegentlicher Ausbrüche, Flüche und Meckertiraden längst akzeptiert. Bert van Marwijk will gegen diesen Schlendrian angehen, er hat schon vor der Niederlage gegen Bayern München damit begonnen, und er wird seinen Kampf gegen diese Hamburger Fußball-Verträumtheit fortsetzen.

Im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger scheint der Niederländer gewillt zu sein, vieles, wenn nicht alles umzukrempeln. Allerdings ist jetzt nicht in erster Linie und auch nicht ausschließlich Bert van Marwijk gefragt, sondern die Spieler. Die Profis müssen den Willen zeigen, dass sie sich gegen diese Lethargie behaupten. HSV-Sportchef Oliver Kreuzer hat es nach dem Bayern-Spiel gesagt: „Mannschaften wie Augsburg, Freiburg oder auch zum Beispiel Braunschweig machen es uns vor, sie kommen über die Leidenschaft und das Engagement.“ Mainz 05 gehört auch in diese Kategorie.

Deswegen ist dieses Spiel eine gleichermaßen schwierige wie gefährliche Aufgabe. Sind die HSV-Profis nicht gewillt, mehr Herz zu investieren, dann werden sie kaum erfolgreich sein können. Dann dürfte auch ihr Trainer frustriert und reichlich desillusioniert an den Festtagen viel Zeit zum Nachdenken haben. Der Zeitpunkt ist extrem ungünstig. Denn der sportlich wenig erfolgreiche Bundesliga-Dino steht vor einer immens wichtigen Jahreshauptversammlung, vielleicht der wichtigsten der vergangenen Jahrzehnte. Diejenigen, die am 19. Januar neue Strukturen in den Vereinssatzungen verankert haben möchten, könnten vom sportlichen Stillstand der Bundesligaprofis profitieren. Denn sollte der HSV in immer tiefere Tabellenregionen und dadurch sogar wieder in die Abstiegszone (vom Relegationsplatz trennen ihn gerade mal fünf Punkte) rutschen, dürften sich auch unentschlossene Vereinsmitglieder eher für Strukturänderungen erwärmen.

Auf den HSV warten stürmische Zeiten. Das letzte Fußballspiel des Jahres, das tatsächlich wohl eines der schwersten sein wird, ist da nur so etwas wie ein Vorgeplänkel.

Dieter Matz, Abendblatt-HSV-Experte und Blog-Vater („Matz ab“), mit seiner aktuellen Freitags-Analyse

Die HSV-Kolumne „Matz ab“ finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab