Hapag-Lloyd zeigt Interesse an Chiles Reederei CSAV – und provoziert Hamburg Süd

Es fragt sich schon, was Hapag-Lloyd da wohl bewegt. Gespräche der führenden deutschen Linienreederei ausgerechnet mit dem chilenischen Schifffahrtsunternehmen Compania Sud Americana de Vapores (CSAV) – welches Signal will die Hapag-Lloyd-Zentrale am Ballindamm damit eigentlich an wen senden?

Am liebsten zunächst einmal gar keines. Nur unter dem Druck mehrerer Veröffentlichungen räumte die Reederei in der Nacht zum Donnerstag ein, was sie kurz zuvor noch hartnäckig verschwiegen hatte. Das Ergebnis der knappen Erklärung ist vor allem ein Affront gegen die zweite große Traditionsreederei mit Sitz in der Hansestadt, Hamburg Süd. Das Unternehmen, das der Bielefelder Industriellenfamilie Oetker gehört, ist in Europa die führende Reederei für die Verbindungen zwischen der nördlichen und der südlichen Halbkugel. Dass Hapag-Lloyd über dies und das nun ausgerechnet mit dem Hauptkonkurrenten von Hamburg Süd spricht, mit CSAV, hat schon einen starken Beigeschmack. Vor allem deshalb, weil die Formulierung „eine mögliche Kombination des Geschäftes oder eine andere Form der Zusammenarbeit“ in der Stellungnahme eine Fusion keineswegs ausschließt.

Hapag-Lloyd und Hamburg Süd verhandeln seit Jahrzehnten in unregelmäßigen Abständen immer wieder einmal über ein Zusammengehen, leider vergebens. Zuletzt sind solche Gespräche im März gescheitert, weil die Oetkers zu keiner einheitlichen Meinung fanden. Aber auch deshalb, weil Hapag-Lloyd-Großaktionär Klaus-Michael Kühne, einer der führenden europäischen Logistikunternehmer, mitunter nicht dieselbe Sprache spricht wie die prominenteste deutsche Wirtschaftsfamilie mit Stammsitz in Bielefeld. Für die deutsche Schifffahrt ist das bitter, denn die Branche hierzulande verliert in der anhaltenden Krise international an Boden. Etliche Manager, die bei einem der beiden Unternehmen arbeiten, halten eine Fusion der deutschen Top-Reedereien für eine ideale Lösung. Hapag-Lloyd ist besonders stark in West-Ost-Richtung, Hamburg Süd in Richtung Nord-Süd. Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt sagte dieser Tage, „das Naheliegendste, das Einfachste und betriebswirtschaftlich Vernünftigste liegt 150 Meter Luftlinie von uns entfernt“. Er meine Hamburg Süd an der Willy-Brandt-Straße.

Nun also Gespräche mit einer Reederei in Valparaiso weit weg am anderen Ende der Welt. Die Stadt Hamburg ist mit 37 Prozent der Anteile der Hauptaktionär von Hapag-Lloyd. Wenn der Senat es zuließe, dass Hapag-Lloyd mit CSAV fusioniert, dessen Containergeschäft übernimmt oder auch nur eine starke und enge Verbindung mit dem chilenischen Konkurrenten aufbaut, wäre das ein schwerer Rückschlag für den Schifffahrtsstandort Hamburg. Denn alles, was CSAV stärkt, schwächt Hamburg Süd. Im Jahr 2008 rollte in Hamburg eine große Solidaritätswelle durch Politik und Wirtschaft, ein „Hamburger Konsortium“ zu bilden, um Hapag-Lloyd vor einer möglichen feindlichen Übernahme durch NOL in Singapur zu schützen. Dieses Konsortium existiert nicht mehr, aber alle Teilnehmer von damals sind noch Miteigner von Hapag-Lloyd. Einige wollen, wie der Touristikkonzern TUI, schon lange bei der Reederei aussteigen. Ein Börsengang ist längst in aller Munde, aber angesichts der anhaltenden Schifffahrtskrise wirtschaftlich nicht vertretbar.

Wenn am Ende des Tages das Ergebnis stünde, dass Hapag-Lloyd mit einer fragilen Eignerstruktur ausgerechnet Hamburg Süd das Geschäft erschwert, dann wäre die jüngere Hamburger Schifffahrtspolitik grotesk gescheitert. Deshalb kann man die Gespräche von Hapag-Lloyd mit CSAV letztlich nur als unfreundlichen Zwischenruf nach Bielefeld deuten, vielleicht doch noch eine gemeinsame Reederei zu erwägen.

Der Autor ist Redakteur im Wirtschaftsressort des Abendblatts