Auf Parteitag in Bremen findet die Partei nicht aus Depression

Neue Parteien haben es schwer. Die Konkurrenz auf dem politischen Markt ist hart. Neue Themen zu finden, zu besetzen und sich Gehör zu verschaffen nicht einfach. Geordnete Strukturen und Verfahren zu finden, auch nicht. Erschwert wird das Ganze noch dadurch, dass Neugründungen in der Parteienlandschaft auch immer Egomanen, Karrieristen und Spinner geradezu magisch anziehen. Sie wittern hier eine leichtere Chance, lukrative Posten zu ergattern, als sie die sprichwörtliche Ochsentour in den etablierten Parteien verheißt.

Diese Erfahrung haben auch die Piraten machen dürfen. Und so glich ihr Parteitag in Bremen, der nach dem desaströsen 2,2-Prozent-Ergebnis der Bundestagswahl und einer Reihe von Rückritten eine neue Parteispitze wählen musste, einer kollektiven November-Depression. Gelegentlich eingespielte niedliche Kätzchenvideos aus dem YouTube-Fundus konnten zur sporadischen Stimmungsaufhellung beitragen. Zur Konsolidierung der Partei eher nicht. Wie gewohnt wird stundenlang über Tagesordnung, Geschäftsordnung und Satzungsänderungen gestritten. Zu einer Bezahlung ihrer Vorstände kann sich die Partei nicht durchringen. Ausnahmen soll es nur für Hartz-IV-Empfänger geben.

Der Frankfurter Softwareentwickler Thorsten Wirth soll es als neuer Piraten-Chef nun richten. Die Partei müsse sich auf ihre „Gründungsmythen“ wie den Kampf für ein freies Internet und gegen staatliche Überwachung konzentrieren, fordert er. Eine gute Idee. Nur im Wahlkampf, auf dem Höhepunkt der NSA-Affäre war das den Piraten völlig entglitten. Da spotteten sie lieber über Kanzlerin Merkel, die das Internet als Neuland bezeichnet hatte. Nun müssen sie schmerzlich lernen, dass Twitter und Facebook vielleicht praktikable Kommunikationswege sind, handfeste analoge politische Arbeit aber nicht ersetzen. Die wiederum scheint für die Piraten nach wie vor weitgehend unerforschtes Territorium zu sein. Selbstfindungsprozesse verlieren bei Wählern schnell an Reiz. Die Piraten sind in höchster Gefahr.