Mag sein, dass Dagegensein derzeit ein generationenübergreifender Trend ist. Doch München hat mit seinem Nein zu den Spielen recht

Die Bayern wollen die Olympischen Spiele nicht, und ganz schön viele Menschen fanden diese Woche, dass das eine dämliche Entscheidung war. Zumindest waren sich darüber die meisten Kommentatoren einig. In der „Süddeutschen“ etwa hieß es, dass die Haltung, die viele Olympia-Gegner mit ihrem Nein ausgedrückt hätten, auf Dauer ein Problem werden könnte: „Weil man Angst vor Veränderungen hat, vor Baustellen und Blaupausen, vor Chancen und Risiken. Weil man auf dem Manufactum-Sofa inmitten eines neobiedermeierlichen Zeitgeistes verharrt.“

Nun ist die Frage, ob es wirklich die Angst vor Veränderungen war, die diese Entscheidung beeinflusst hat, ich wage zu behaupten: Sie war es nicht, jedenfalls nicht maßgeblich. Mag sein, dass Dagegensein derzeit ein generationenübergreifend beliebtes Phänomen ist. Mag aber auch sein, dass wir in einem Zeitalter leben, in dem sich die Bürger immer schlechter für dumm verkaufen lassen – vor allem von internationalen Männersportbünden, die seit Jahrzehnten in gewohnter Selbstherrlichkeit nationales Recht aushebeln und finanzielle Risiken auf Staaten und damit ihre Bürger übertragen. Aber damit nicht genug: Für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar werden Arbeitskräfte wie Sklaven gehalten, immer wieder sterben Menschen auf WM-Baustellen. „In jedem Land kann es geschehen, dass es Todesfälle auf Baustellen gibt“, war der lapidare Kommentar des Fifa-Präsidenten Sepp Blatter dazu. Ach klar, wollte man ihm in dem Moment zurufen, lieber Sepp! Das sind eh nur Menschen, ertrinken doch auch jeden Tag im Mittelmeer!

Das Nein der Bayern zu Olympia ist kein biedermeierlicher Rückzug in die eigene Komfortzone – es ist ein Warnschuss Richtung Fifa und IOC: Wenn es so läuft wie in der Vergangenheit, dann wollen wir eure Kommerzfestspiele nicht. Könnt ihr ja demnächst wieder irgendwelchen Scheichs oder Despoten andienen, aber bei uns ist für so viel korrupte Arroganz kein Platz. Die Münchner wissen, wovon sie reden, sie erinnern sich noch gut an die WM 2006. Damals wollte die Fifa das Grünwalder Stadion im Süden der Stadt für öffentliche Trainingseinheiten der brasilianischen Nationalelf nutzen – auf Kosten der Stadt, selbstverständlich.

Die Verhandlungen stockten, das zuständige Sportamt bestand darauf, die örtliche Gebührenordnung einzuhalten. Auch Unterhaching blieb hart. Das dortige Sportamt sprach offen von einem Knebelvertrag: Auch hier hätte der Weltverband keine Miete bezahlt, dafür aber das Hausrecht beansprucht, ohne für Reinigung und Strom aufzukommen. Die wären am Ende an der Gemeinde hängen geblieben.

Die Fifa hätte diese Beträge locker übernehmen können, schon damals mussten die Herren den Cent nicht gerade umdrehen, 1,28 Milliarden Dollar liegen als Geldreserve in den Kassen des Weltverbands. Nein, was in München und Unterhaching 2006 im Kleinen zum Ausdruck kam, war die Haltung der Weltsportverbände im Großen und Ganzen: Wir kassieren, ihr bezahlt. Und wenn am Ende ein Minus bleibt – tja, dann Pech gehabt.

In Hamburg würde es nicht anders laufen, da muss sich niemand etwas vormachen. Wem das recht ist, der sollte am besten jetzt sehr laut Hurra schreien, wenn es um eine erneute Kandidatur der Hansestadt für die Sommerspiele 2024 geht. Gern betonen die Befürworter ja die positive Wirkung, die die Spiele von München 1972 noch über Jahrzehnte auf ganz Süddeutschland hatten. Was man dabei leicht vergisst, ist die Tatsache, dass die Innenstädte der Metropolen Anfang der 70er-Jahre noch lange nicht so durcheventisiert und dauerbeschallt waren wie heute, öffentlicher Raum war in weit größerem Maß verfügbar. Heutige Anwohner sind es halt einfach leid.

Apropos öffentlicher Raum: Die Spiele 2012 in London sollten ja offiziell die „Spiele des öffentlichen Nahverkehrs“ werden. Wurden sie am Ende auch, weil es den Londonern schlichtweg untersagt war, die als „Games Lanes“ gekennzeichneten Straßen zwischen Innenstadthotels und Wettkampfstätten zu nutzen. Zuwiderhandlung: 200 Pfund. Eine Stadt, die das Recht, eine öffentliche Straße zu nutzen, an das IOC abtritt – tut mir leid, für die Freie und Hansestadt Hamburg ist das unvorstellbar.

An dieser Stelle schreibt Iris Hellmuth jede Woche über das Zusammenleben der Generationen