Was die Studie über Moscheen in Hamburg über die Religionsgemeinschaft sagt

Seit Menschengedenken gibt es Orte, die als besonders heilig gelten. Die Gläubigen versammeln sich dort, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen an dieser Stelle die ewige Gottheit besonders nahe ist. Mit Gebet und Meditation, mit Ehrfurcht und Erwartung betreten sie die heiligen Orte. Das können Berge wie der Sinai und Flüsse wie der Ganges sein. Vor allem aber sind es weltweit Tempel, Klöster, Kirchen und Moscheen – sakrale Bauten, die Gemeinschaft und religiösen Sinn stiften. Die Hansestadt als multikulturelle Metropole mit rund 120 verschiedenen Religionsgemeinschaften weist eine hohe Dichte solcher religiösen Häuser auf. Mitten im Großstadtdschungel gibt es orthodoxe Kirchen mit zahlreichen Ikonen, spartanisch ausgestattete reformierte Gotteshäuser, den barocken Michel und buddhistische Zentren. Und es entstehen, in wachsender Tendenz, Moscheen und Gebetsräume.

Dass die drei großen muslimischen Gemeinschaften in Hamburg jetzt erstmals eine Untersuchung über die räumliche Situation ihrer Gemeinden vorlegten, ist mehr als eine Bestandsaufnahme. Die Studie mit dem Titel „Moscheen und Gebetsräume in Hamburg“ und die öffentliche Vorstellung in der Bergedorfer Kocatepe-Camii-Moschee kurz vor dem Mittagsgebet am Freitag steht für mindestens zwei religionspolitische Aspekte: Sie bezeichnen Größe und Grenze.

Zum einen demonstrieren die rund 130.000 Hamburger Muslime ein neues religiöses und kulturelles Selbstbewusstsein. Längst sind die früheren Gastarbeiter, ihre Kinder und Enkel willens und in der Lage, ihren Glauben an Allah, dem Einen, im Land der lutherischen Reformation nicht mehr hinter verschlossenen Mauern zu leben. Sie wollen stattdessen öffentlich zeigen, wie schön, heilig und multifunktional die Innenräume ihrer Moscheen sind. Auch wenn das von außen in den meisten Fällen nicht den Anschein erwecken mag. Denn größtenteils wurden bereits bestehende Gebäude (Einzelhäuser, Hallen, Garagen) zu Moscheen umgebaut.

Am Tag der Offenen Moscheen, stets am Tag der Deutschen Einheit, wollen die Muslime ihren Besuchern von der Größe und Erhabenheit ihres Glaubens erzählen, der sichtbare Gestalt in den heiligen Orten gefunden hat. Gerade der Vertrag zwischen der Hansestadt und den islamischen Verbänden beflügelte das neue Selbstbewusstsein und verstärkte endlich das subjektive Gefühl, nicht nur als Arbeiternehmer und Arbeitgeber, sondern auch als Muslime in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Seit dem Frühsommer regelt der Staatsvertrag unter anderem die Geltung islamischer Feiertage, das Bildungswesen sowie „Einrichtung und Betrieb von Moscheen“. Der Senat als religionspolitischer Innovationstreiber markiert mit diesem Paragrafenwerk einen Weg, den jetzt andere Bundesländer ebenfalls gehen wollen.

Doch die Politik befindet sich, jedenfalls moralisch betrachtet, nun auf besondere Weise in der Pflicht. So sehr die Muslime mit ihrem wachsenden Selbstbewusststein im nachchristlichen Hamburg ihre Größe demonstrieren, so geraten sie zusehends an ihre Grenzen. Und die werden nicht rechtsstaatlich oder finanziell definiert, sondern ausgerechnet räumlich. Kurzum: Viele Moscheegemeinden mit ihren religiösen, kulturellen, pädagogischen und sozialen Aufgaben platzen aus allen Nähten. Es ist also – biblisch gesprochen – kein Raum mehr in der Herberge. Zwar kann der Senat aufgrund seiner weltanschaulichen Neutralität nicht diese Bauten fördern, indem er zum Beispiel städtische Grundstücke gratis zur Verfügung stellt. Aber er kann die Suche nach Alternativen konstruktiv fördern und begleiten. Und die Politik sollte in muslimischen Staaten mit Nachdruck darauf drängen, dass auch Christen ihren Glauben frei praktizieren und Kirchen bauen können.