Deutschland zahlt den christlichen Kirchen im Schnitt jährlich 442 Millionen Euro. Nur in Hamburg sorgen die Bischöfe für sich selbst

10.889 waren es im vorigen Jahr. 10.889 Hamburger, die aus der Kirche ausgetreten sind, aus der katholischen wie der evangelischen. Man muss kein Weiser aus dem Morgenland sein, um zu ahnen, dass es im Jahr 2013 weit mehr sein werden – Franz-Peter Tebartz- van Elst sei Dank.

Die meisten werden es nicht deshalb getan haben, weil sie ihren Glauben, sondern ihren Glauben an die Kirche verloren haben. Sie glauben nicht mehr an eine Institution, die Wasser predigt und sich selbst die Weinkeller füllt; und ja: Womöglich sind sie auch eine dieser typisch deutschen, staatlich- religiösen Symbiosen leid, die zwar seit Generationen akzeptiert wird – dadurch aber nicht vertretbarer wird.

Die Kirchen in Deutschland finanzieren sich aus der Kirchensteuer, das ist ihr gutes Recht. 9,2 Milliarden Euro haben sie im Jahr 2012 eingenommen, wobei sie das nicht selbst tun müssen, die gesamte Organisation übernimmt der Staat. Wer aus der Kirche austreten will, macht das nicht in einem Pfarrbüro, nein, er muss dafür auf ein Standesamt gehen, das für diese Serviceleistung noch eine Gebühr verlangt. Natürlich nicht von der Kirche, sondern vom Antragsteller selbst.

Doch damit nicht genug: Zusätzlich zahlt Deutschland den Kirchen jährlich im Schnitt über 400 Millionen Euro – für kirchliche Personalkosten. Der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartzvan Elst kann also die Millionen aus dem Bischöflichen Stuhl verschleudern, wie er will, um sein Gehalt muss er sich keine Sorgen machen. Das zahlt ihm das Bundesland Hessen. Die Bundesregierung spart und streicht, doch kirchliche Gehälter verschont sie. Ich finde, als Christ darf man das durchaus irritierend finden.

Seit mehr als 200 Jahren geht das nun schon so, seitdem Napoleon die Kirchen enteignete und im Gegenzug zusicherte, für die Gehälter der Geistlichen aufzukommen. Bis heute rüttelt niemand an diesem Beschluss. Niemand außer Hamburg.

Tatsächlich ist Hamburg das einzige Bundesland, das keine Zahlungen aus dem eigenen Haushalt an die Kirchen leistet. Der Senat beruft sich dabei auf Artikel 140 des Grundgesetzes: Demnach sind die Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften abzuschaffen, was eigentlich auch für alle anderen Bundesländer gelten sollte. Der Verfassungsauftrag besteht seit 1918. Umgesetzt wurde er bislang nur von Hamburg. Im Übrigen auch, was die Renten angeht. Wenn der Hamburger Erzbischof eines Tages in Rente geht, wird diese Rente wie die aller Priester der Hansestadt aus dem Priesterpensionsfonds bezahlt – der wurde über lange Jahre aus Kirchensteuermitteln aufgebaut.

Ich selbst habe aufgehört, arabischmuslimische Gesellschaften dafür zu kritisieren, dass sie keine Trennung zwischen Kirche und Staat haben. Haben wir in Deutschland schließlich auch nicht. Nein, wir finanzieren munter eine Institution, die so reich ist, dass einem beim Lesen der Zahlen schwindelig wird. Auf 170 Milliarden Euro schätzt der Kirchenkritiker Carsten Frerk den Besitz der katholischen Kirche. In Bayern erhält sie trotzdem jährlich 65 Millionen Euro vom Freistaat, die evangelischen Kollegen bekommen 21 Millionen. Immer mehr Bistümer legen nun ihre Finanzen offen. Doch das kann nur ein Anfang sein. Wie das Ziel lautet? Eine tatsächliche Trennung von Kirche und Staat – und damit auch ein Ende der politischen Einflussnahme. Lebhaft erinnerte sich jüngst die ehemalige Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag, Ingrid Matthäus- Maier, an die schamlosen Einmischungen der Kirchen in die Debatte um Steuersenkungen für Kleinverdiener und Kinder: Ihr Kirchensteueraufkommen wäre damit gesunken.

Die christlichen Kirchen sind, wie jedes System, in dem es Macht zu verteilen gibt, um Selbsterhaltung bemüht. Solange der Staat dieses System stützt, wird es keine Veränderung geben. Dafür braucht es bislang den Mut einzelner Kommunen. Als die Kirche im Frühjahr 2012 die Leiterin eines katholischen Kindergartens in Königswinter entließ, weil sie ihren Mann verlassen hatte, kündigte die Stadt kurzerhand den Vertrag. Nach genaueren Prüfungen hatte sich herausgestellt, dass der Beitrag der katholischen Kirche zu dem Kindergarten bei exakt null Euro lag.