Deutschland sollte von den Dänen lernen. Eine steuerfinanzierte Grundversorgung würde weniger kosten als das bisherige System

Immer wieder wird mit Sorgen und Ängsten über das Thema Rente diskutiert. Einen Ausweg aus unserem Renten-Dilemma können unsere Politiker nicht zeigen. Wir leisten uns eine zergliederte und hoch komplizierte Sozialversicherung mit gesellschaftspolitischen Auswüchsen. Einer davon: Täglich berechnen 62.000 Beamte und Angestellte mit einem Kostenaufwand von 3,5 Milliarden Euro im Jahr unsere Renten. Das Ergebnis: In den alten Bundesländern sind 70 Prozent der Frauenrenten und 30 Prozent der Männerrenten niedriger als 650 Euro im Monat, reichen also nicht zum Leben.

Zurzeit sind es vier Milliarden Euro im Jahr, mit denen der Staat die Minirenten auf Hartz-IV-Niveau aufstocken muss – Jahr für Jahr steigend. Alle Parteien denken über Mindestrenten nach. CDU und SPD fordern dafür 30 bis 35 Beitragsjahre. Damit grenzen sie bis zu sechs Millionen Rentner aus, nicht nur viele Frauen, auch Klein-Selbstständige, die Jahrzehnte Steuern bezahlt haben. Dabei finanzieren sie jede vierte Rente über Steuerabgaben mit.

Internationale Wirtschaftswissenschaftler prophezeien, dass die Sozialsysteme der Industriestaaten nur überleben, wenn ihre Finanzierung schnell auf Steuerbasis umgestellt wird. Dänemark ist richtungweisend. Auch Deutschland braucht ein solches System. In Dänemark nennt man diese Leistung „Volkspension“. Ich nenne sie „Grundversorgung“, weil deutlich sein soll, dass jeder Bürger die Möglichkeit hat, diese Grundversorgung durch Eigeninitiative zu ergänzen. Nach heutigem Geldwert sollte die Grundversorgung 1000 Euro monatlich brutto betragen, einschließlich der noch zu zahlenden Abgaben für die eigene soziale Sicherheit. Sie steht bei Berufsunfähigkeit oder ab dem 67. Lebensjahr zu. Witwen- und Witwerrenten gibt es dann nicht mehr, sie werden nicht mehr benötigt. Die Grundversorgung erhalten alle Bürger, die 50 Jahre in Deutschland gelebt haben (in Dänemark 40 Jahre). Wer etwa nur zehn Jahre hier gelebt hat, bekommt 20 Prozent der Grundversorgung, also 200 Euro. Es wird nicht gefragt, ob und welche Beiträge gezahlt wurden. Es reicht ein Leben in Deutschland als Steuerzahler. Alle werden einbezogen. Bei den Beamten sind dann die ersten 1000 Euro der Monats-Pension die Grundversorgung.

Am Reformstichtag muss es für ältere Bürger eine Wahlmöglichkeit geben (altes oder neues System). Außerdem müssen erworbene Rentenansprüche, so sie höher sind, erhalten bleiben.

Wer soll das bezahlen? 457 Milliarden Euro im Jahr benötigen wir für eine Grundversorgung aller Bürger in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenvorsorge. Das sind 22,62 Prozent vom Volkseinkommen (2,02 Billionen Euro). Die jetzige Sozialversicherung kostet ca. 503 Milliarden Euro (24,9 Prozent vom Volkseinkommen). Daraus folgt: Eine Grundversorgung sollte keinesfalls teurer, sondern eher billiger sein als die bisherige „beitragsgestützte“ Sozialversicherung.

Was bedeutet das im Einzelnen? Der „einfache“ Arbeiter, Angestellte und Beamte, der außer seinem Arbeitslohn keine Einkünfte hat, wird entlastet, zahlt etwas weniger Beiträge als zuvor. Die „Beitragszahlung“ geschieht dann in Form einer erhöhten Lohnoder Einkommenssteuer (anstelle der bisherigen rund 20 Prozent Sozialversicherungsabgaben). Auch Arbeitgeber und alle deutschen Betriebe zahlen diese verringerten „Beiträge“ in Form von Steuern auf die Summe aller Löhne. Volkswirtschaftlich vermutlich bedeutendster Nebeneffekt: Die Lohnstückkosten sinken wegen geringerer Abzüge. Waren und Dienstleistungen werden im lebenswichtigen Export billiger und konkurrenzfähiger. Der Binnenumsatz, dessen Erhöhung andere Staaten von Deutschland fordern, würde dank höherer Kaufkraft steigen.

Eine bedeutende Rechengröße darf der Bundesfinanzminister bei Einführung der steuerfinanzierten Grundversorgung als Vorteil verbuchen: Es wird keine steuerlich absetzbaren Vorsorgeaufwendungen mehr geben. Denn der Staat hat dann alles getan, um für seine Bürger menschenwürdig vorzusorgen. Der Bundesfinanzminister würde dann 45 Milliarden Euro im Jahr einsparen. Dadurch würde die steuerfinanzierte Grundversorgung nur noch 412 Milliarden Euro im Jahr kosten, also fast ca. 100 Milliarden Euro weniger als das jetzige marode System.

Endlich könnten die Deutschen so sorgenfrei leben wie unsere dänischen Nachbarn. Sie wüssten von Kindheit an: Für mich ist vorgesorgt. Ein solches Sicherheitsgefühl setzt gewiss bei sehr vielen unternehmerische Kräfte frei, die dem Wohl aller zugutekommen.

Bernd Wenzel ist Rentenberater und Rechtsbeistand für Sozialversicherung