Seit das Nadelöhr der A7 für Lkw gesperrt ist, wird nach mehr Geld gerufen. Kern des Problems aber ist ein unübersichtlicher Haushalt

Straßen standen lange für wirtschaftlichen Aufschwung. Sie wurden – und werden – als Sinnbild für aktive Politik verstanden. Die meisten Politiker weihen gerne neue Autobahnen, Brücken oder Ortsumfahrungen ein – denn damit können sie deutlich machen, dass sie sich um die Leute vor Ort kümmern. Deswegen wurde in den letzten Jahrzehnten vor allem neu gebaut – und dabei zu gerne vergessen, dass alles auch erhalten werden muss.

Neben der politischen Attraktivität ist aber auch das Haushaltssystem des Bundes dafür verantwortlich. Wertverluste, die nun einmal bei Investitionsgegenständen völlig normal sind, spielen bis heute bei der Haushaltsaufstellung keine Rolle. Abschreibungen oder Rückstellungen, um den Verzehr des geschaffenen Vermögens irgendwann auszugleichen, sind im Haushaltssystem des Bundes nicht vorgesehen.

Jedes Unternehmen würde an so einer Vorgehensweise zugrunde gehen. Viele private Haushalte würden mächtig ins Grübeln kommen, wenn sie nicht daran denken, dass ihr Auto an Wert verliert und irgendwann repariert oder ersetzt werden muss. Sie würden irgendwann ohne Auto dastehen, wenn sie nichts zurücklegen würden.

Der Bund handelt aber genau so – und muss deswegen jetzt zuschauen, wie seine Brücken nach und nach nicht mehr benutzt werden können. Im Bundeshaushalt kann man zwar sehen, welche Straßen wann und wo und zu welchen Kosten neu gebaut werden sollen.

Über die Kosten der Erhaltung der schon geschaffenen Infrastruktur erfahren die Politiker dagegen nichts. In der Folge wird auch nichts für den Erhalt zurückgelegt. An schlichte kaufmännische Prinzipien, die von soliden Unternehmern erwartet werden, hält sich der Bund selbst nicht. Deswegen brauchen wir endlich eine klare Aufstellung der bereits mit Steuermitteln geschaffenen Vermögenswerte, also eine Vermögensbilanz. Vor allem ist eine Übersicht des jährlichen Vermögensverzehrs notwendig.

Wenn schon nicht im ganzen Haushalt, so sollten wir wenigstens mit den großen Investitionen anfangen, also zum Beispiel mit dem Verkehrsetat. Hierzu müssten die Werte von Straßen, Schienen, Brücken und Kanälen einmal erfasst werden. Es ist keine Frage, dass dies sehr aufwendig ist. Anschließend wäre es aber möglich, die kontinuierlichen Wertverluste im Bundeshaushalt einzupreisen.

Wenn der jährliche Wertverlust für alle nachgelesen werden kann, steigt auch die Bereitschaft der Politik, Mittel dafür einzuplanen und nicht immer nur für neue Straßen auszugeben. Es würde mehr Ehrlichkeit in die Politik einziehen und deutlich verantwortungsvoller mit Steuermitteln umgegangen.

Die Politik kann sich dann nicht mehr mit ratlosem Blick unter eine bröckelnde Brücke stellen und damit herausreden, es einfach nicht gewusst zu haben. Sie muss dann auch so handeln, wie es ehrbare hanseatische Kaufleute tun.

Eine Woche nach der Bundestagswahl wird eine Kommission aus Bund und Ländern Vorschläge machen, wie unsere Verkehrswege zukünftig finanziert werden sollen. Dabei wird es um die Frage gehen, wie wir mehr Mittel zur Verfügung stellen können. Mit einfachen Rechentricks im Bundeshaushalt ist es nicht getan. Es wird darum gehen, ob und wie die Lkw-Maut ausgeweitet wird oder ob Pkw in die Nutzerfinanzierung eingebunden werden.

Diese Fragen sind wichtig, und sie werden zu heftigen politischen Diskussionen führen. Das Verständnis für solche Vorschläge wird aber vor allem dann gering sein, wenn die Politik nicht nachweisen kann, dass sie umsichtig und verantwortungsvoll mit den ihr anvertrauten Steuern und Abgaben umgeht. Deswegen brauchen wir – mindestens für die Verkehrswege des Bundes – eine klare Vermögensbilanz mit einer Übersicht der Abschreibungen und Rückstellungen.

Valerie Wilms ist Bundestagsabgeordnete der Grünen und sitzt für die Fraktion im Verkehrsausschuss