Wichtig für Schüler mit Migrationshintergrund ist ein früher Kontakt mit dem abendländischen Bildungskanon

Mal ehrlich: Welche Bilder gehen einem beim Begriff „Migrationshintergrund“ als Erstes durch den Kopf? Integrationsverweigerer und Parallelgesellschaft, Hartz IV und Jugendkriminalität? Wer denkt dabei schon an den Chefredakteur der „Zeit“, an Giovanni di Lorenzo, den Grünen-Parteivorsitzenden Cem Özdemir oder den Hamburger Stararchitekten Hadi Teherani? Aber auch diese herausragenden Persönlichkeiten haben einen Migrationshintergrund und widersprechen damit eindrucksvoll dem oft gezeichneten Bild vom „defizitären Migranten“.

Neben solch prominenten Einzelfällen gibt es jedoch auch viele andere, die – von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt – erfolgreich ein Hochschulstudium absolvieren und sich beruflich etablieren.

Einigen von ihnen gelingt es sogar, Zugang zu besonders verantwortungsvollen und begehrten Spitzenpositionen zu finden: „Migranten auf dem Weg zur Elite“, wie ich sie nenne.

Was kennzeichnet ihre Biografie- und Karriereverläufe? Was macht Migranten im Beruf erfolgreich? Hierzu habe ich mehr als 600 berufstätige Akademiker mit Migrationshintergrund in Wirtschaftsunternehmen befragt.

Es zeigt sich: Ein Studium allein reicht nicht aus für steile Karrieren bis in die Chefetagen. Auch andere Faktoren entscheiden, ob Migranten der Zugang zur Spitze gelingt.

Genau wie für Einheimische ist auch für Migranten eine Oberschichtenherkunft – und damit „soziale Ähnlichkeit“ zu den Entscheidern – ein ausschlaggebendes Kriterium.

Wer von Haus aus an den abendländischen Bildungskanon herangeführt wird, wer als Kind mit dem gesellschaftlichen Parkett vertraut gemacht wurde, kennt die Regeln und Codes der Eliten und kann in diesen Zirkeln selbstbewusst und souverän auftreten. Damit wird er von den Etablierten als ihresgleichen anerkannt – und hat damit deutlich bessere Chancen auf Erfolg.

In Ergänzung zu diesem vorhersehbaren Zusammenhang, der auch für Personen ohne Migrationshintergrund gilt, lassen sich aus der Erhebung bislang kaum untersuchte, migrantenspezifische Faktoren ableiten. Ein bemerkenswertes Ergebnis: Je „einheimischer“ der Freundeskreis, umso größer fällt der Berufserfolg der befragten Migranten aus. Dieser Mechanismus gilt selbst dann, wenn man den Bildungsgrad der Kontaktkreise ausklammert.

Ganz offenbar bergen einheimisch-deutsche Netzwerke karriererelevante Informationen und Ressourcen, die für den beruflichen Aufstieg von Migranten besonders hilfreich sind.

Was kann nun die Politik aus diesen Ergebnissen lernen? Wie also kann zum Beispiel der Effekt der sozialen Herkunft abgefedert und gleichzeitig die Interaktionsdichte zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund gefördert werden? Immerhin gilt: Was auf dem Weg zur Elite hilfreich ist, kann auch für bescheidenere Ziele nicht hinderlich sein. Ich plädiere dafür, dass Migranten – insbesondere bildungsferner Schichten – bereits in jungen Jahren systematisch an elementare gesellschaftliche Rituale und kulturelle Inhalte herangeführt werden.

Ein möglicher Ansatzpunkt könnte die Ausweitung hierfür geeigneter Förderprogramme sein: zum Beispiel regelmäßige Theater- oder Museumsbesuche, gemeinsame Lesestunden oder kostenfreier Unterricht klassischer Musikinstrumente. Idealerweise würden engagierte Mentoren derartige Fördermaßnahmen flankieren. Auch eine noch intensivere Einbindung der Eltern könnte sich als wertvoll herausstellen.

Angesichts einer alternden Gesellschaft und einem stetig wachsenden Migrantenanteil in den jüngeren Altersgruppen sollte es im Interesse aller sein, die Potenziale und Begabungen des Migrantennachwuchses besonders im Blick zu haben. Ob politische Maßnahmen zielführend sind, die Kinder aus bildungsfernen Migrantenfamilien länger in ihren Herkunftsfamilien verharren lassen (siehe zum Beispiel das Betreuungsgeld), bleibt vor diesem Hintergrund äußerst fraglich.

Die Kolumne „Jungs Zeitgeist“ erscheint in dieser Woche nicht, weil die Autorin in Urlaub ist