Zwangsenteignungen innerhalb der EU sind ein verheerendes Signal

Es waren zwei kurze Sätze, durch die den Deutschen erst bewusst wurde, wie ernst die Lage war: "Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel Schulter an Schulter mit dem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück, ihrem heutigen Herausforderer. "Auch dafür steht die Bundesregierung ein."

Das war am 5. Oktober 2008, einem Sonntag, und die Große Koalition hatte Glück, dass die Deutschen am Tag darauf die Ruhe behielten und nicht zu Tausenden ihre Gelder von den Banken abhoben. Die Folgen für die Bundesrepublik und Europa wären nicht abschätzbar gewesen.

Gut viereinhalb Jahre später, in einer Zeit, in der die Krise des Euro beherrschbar schien, wird die Situation eine andere sein, wenn in dieser Woche die Geldinstitute ihre Schalter öffnen. Zum Glück nicht im großen Deutschland, sondern im vergleichsweise kleinen Zypern, wo "die Sparerinnen und Sparer" direkt am Hilfsprogramm für das Land beteiligt werden. Wer 100.000 Euro zurückgelegt hat, ist mit knapp 10.000 Euro dabei - und er kann offensichtlich nichts dagegen tun. Es ist schwer vorstellbar, wie es in den Banken Zyperns zugehen wird, wenn sie tatsächlich wie geplant am Dienstag, der heutige Montag ist ein Feiertag, wieder Kunden an ihre Konten lassen sollten. Dass sogar überlegt wird, die Banken länger geschlossen zu lassen, sagt alles.

Der Kampf um die gemeinsame europäische Währung hat eine neue Dimension erreicht. Nun mag Zypern einerseits wegen seiner Größe kein typisches Beispiel sein und andererseits, weil rund ein Drittel aller Einlagen auf der Insel in der Hand von ausländischen Investoren sein sollen, unter anderem von Russen und Briten. Trotzdem trifft es eben auch jeden zyprischen Anleger - und jeder andere EUROpäer stellt sich automatisch die Frage: Bleibt Zypern ein Einzelfall? Oder ist die Beteiligung von Sparern an Hilfsprogrammen für verschuldete Staaten von nun an ein weiteres Instrument, wenn es um den Erhalt des Euro geht?

Es trifft, in diesem Fall und überhaupt, die Falschen. Denn in Zypern werden jetzt die Menschen bestraft, die genau das getan haben, was den meisten Staaten und Regierungen in der Vergangenheit gleichgültig war. Sie, die viel zitierten Sparerinnen und Sparer, haben schließlich so vernünftig gewirtschaftet, dass sie Geld zurücklegen konnten, ja, auch für schlechte Zeiten. Aber damit waren nun nicht die schlechten Zeiten einer Währungsunion gemeint, und es besorgt sehr, dass ausgerechnet ein extrem freiheitliches System wie die Europäische Union allen Ernstes auf das Mittel der Zwangsenteignung zurückgreifen muss. Was für ein verheerendes Signal - zumal die Menschen, zunächst mal nur in Zypern, nun doppelt zur Kasse gebeten werden, als Steuerzahler und als Sparer. Das vergessen all die, die sich freuen, dass nun auch Bankkunden an den Rettungsprogrammen beteiligt werden und nicht nur die Steuerzahler. Liebe Experten und Politiker: Die Menschen, die in den Euro-Ländern leben, sind in der Regel beides ...

Nicht wir, die Sparerinnen und Sparer, Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, Wählerinnen und Wähler sind das Problem. Das Problem sind Banken, die trotz der dramatischen Erfahrungen der Krisenjahre wieder zur Tagesordnung übergegangen sind, und Regierungen, die nicht mit Geld umgehen können. Es ist allerhöchste Zeit, dass sich Staaten fragen, was sie sich leisten können und vor allem, was sie sich leisten wollen - in Zypern genauso wie in Deutschland oder in Hamburg. Und es ist wichtig, dass die Bürger exakt das von ihren Regierungen einfordern und sie dazu drängen, sich von all dem zu verabschieden, was man in einer Zeit verstaatlicht beziehungsweise vereinnahmt hat, als Geld leider keine Rolle spielte.