Warum es pöbelnde Trainer den Schiedsrichtern schwer machen. Der HSV nimmt gelegentliche Fehlentscheidungen hanseatisch

Im Fußball, heißt es so schön, gleicht sich immer alles wieder aus. Kassiert eine Mannschaft einen unberechtigten Elfmeter, so gibt es drei Spiele später dann mal einen Strafstoß für ein Vergehen, das keines war. So geht es schon seit Jahrzehnten, und selbst die Größten des Spiels nahmen es gelassen, weil das eben ein Teil des Sports ist.

Der Mainzer Trainer Thomas Tuchel könnte diese Regel nun aber spätestens seit seiner Wutrede infrage stellen. Der Coach ist in der Bundesliga längst dafür bekannt, dass er am Spielfeldrand wie Rumpelstilzchen hin und her springt und dabei alles kritisiert, was irgendwie nach Schiedsrichter aussieht. Ein solcher Trainer hat - natürlich - nicht nur Freunde. Und genau das hat auch Tuchel selbst nun erkannt. Er hatte in dieser Woche behauptet, dass seine Mannschaft wohl dafür büßen müsse, dass er eben so sei. Ich sehe Tuchel so: impulsiv, aufmüpfig, aggressiv, bärbeißig, laut und cholerisch. Abgesehen davon ist er sicher auch ein erstklassiger Fußballlehrer.

Aber darf ein Trainer so sein? Kann er erwarten, dass er immer einen absolut neutralen Schiedsrichter vor sich hat? Denn jeder Unparteiische weiß natürlich, dass der Mainzer Trainer bei der ersten umstrittenen Szene wieder wild gestikulierend am Spielfeldrand erscheint und Zeter und Mordio schreit. Thomas Tuchel sagt aber, dass er mit seinen Aktionen keinen Schiedsrichter beeinflussen möchte. Aber er hat es trotzdem getan. Jeder Unparteiische, der künftig Mainzer Spiele pfeifen wird, hat sein Zitat im Kopf: "Meine Mannschaft wird krass benachteiligt."

Was ich allerdings für absoluten Unfug halte. Wird einem gegnerischen Spieler von einem Mainzer an die Hand geschossen und der Elfmeterpfiff bleibt aus, geschieht das bestimmt nicht deshalb, weil der Schiedsrichter in diesem Moment gerade an Herrn Tuchel denkt. Die Unparteiischen stehen in der Bundesliga 90 Minuten lang unter Strom und haben ganz andere Sorgen. Deniz Aytekin, der das Mainzer Pokal-Viertelfinal-Aus gegen Freiburg leitete, sagt dazu: "Wir sind hoch konzentriert, wir sind in einem Tunnel. Mit etwas anderem beschäftigen wir uns gar nicht." Das wird auch der mit 39 Jahren noch junge Bundesliga-Trainer Tuchel eines Tages einsehen müssen.

Es gibt ja auch eine Alternative. Zum Beispiel beim HSV. Die Hamburger haben in Thorsten Fink einen relativ ruhigen Trainer am Spielfeldrand. Er sagt zwar auch gelegentlich etwas, rastet dabei aber nie aus. Nie fuchtelt er vor einem Schiedsrichter herum. Dabei hat auch der HSV schon erleben müssen, dass er krass benachteiligt wurde.

So war der Platzverweis von Petr Jiracek in Frankfurt geradezu lächerlich, das erste Tor von Borussia Mönchengladbach im Hinspiel gegen den HSV irregulär, weil René Adler auf der Torlinie gefoult worden war (und dafür noch die Gelbe Karte erhielt!). Beim HSV hat man sich danach eher auf hanseatische Art und Weise beklagt. Thorsten Fink könnte nun erklären: "Nur weil ich so leise und reserviert am Spielfeldrand bin, wird meine Mannschaft benachteiligt." Ein solcher Unsinn würde Fink nie über die Lippen kommen.

Der HSV-Trainer weiß natürlich auch, dass sich im Fußball stets alles wieder ausgleicht. Und dass man nicht gleich Verschwörungstheorien schmieden muss, falls es mal anders ist. Fink würde eher sein eigenes Verhalten am Spielfeldrand überdenken. Ein "Rumpelstilzchen" an der Seitenlinie wird nie auf Gegenliebe stoßen. Schiedsrichter sind auch nur Menschen. Ab und zu, das haben wir gelernt, stecken sie in einem Tunnel. Aber das gehört wohl dazu.

Die HSV-Kolumne "Matz ab" finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab