Das Chaos am Flughafen hätte mit etwas Umsicht vermieden werden können.

Was Zehntausende von Fluggästen derzeit am Hamburger Flughafen erleben, ist das Resultat eines bemerkenswerten Sinneswandels. Im Jahr 2007 kritisierte Frank Bsirske, Vorsitzender von Ver.di, die Lokführergewerkschaft GDL noch scharf für ihr radikales Vorgehen im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn. Es führe zum Zusammenbruch der Gewerkschaften, wenn sich immer mehr Gruppen aus der Solidarität verabschiedeten, um "im Alleingang für sich das Maximale herauszuholen", sagte Bsirske damals. Organisationen wie die GDL oder die Pilotenvereinigung Cockpit hätten ihren Kollegen in anderen Berufen die Solidarität bereits aufgekündigt.

In der gleichen Rede forderte der Ver.di-Chef allerdings, man müsse sich künftig zielgenauer auf die Wünsche einzelner spezialisierter Berufgruppen einstellen. Bsirske wies dazu auf den hohen Mitgliederschwund der einst größten Gewerkschaft der Welt hin.

Mittlerweile hat Ver.di jegliche Zurückhaltung abgelegt. Man wendet an den Flughäfen nun die gleiche Taktik an wie die früher so geschmähten Spartengewerkschaften von Ärzten, Piloten und Fluglotsen. Diese Taktik lautet: mit minimalem Aufwand die größtmögliche Wirkung erzielen.

Die weitaus meisten Beschäftigten privater Sicherheitsfirmen arbeiten schließlich nicht an einem Flughafen, sondern sind für Unternehmen anderer Branchen im Einsatz - aber dort wird jetzt nicht in größerem Umfang gestreikt. Dort würde ein Ausstand wohl auch keine so große Aufmerksamkeit erregen. Lässt man jedoch wenige Hundert Sicherheitskräfte an den Passagierkontrollen der Flughäfen die Arbeit niederlegen, hat das bundesweit Auswirkungen auf den Flugverkehr. Maximale Öffentlichkeitswirkung inklusive eindrucksvoller Bilder in den Fernsehhauptnachrichten ist garantiert. Dabei gibt es aber einen wichtigen Unterschied zu den Arbeitskämpfen von Piloten oder Fluglotsen: Diesmal streikt keine privilegierte Gruppe für noch mehr Geld oder noch bessere Arbeitsbedingungen. Viele der Luftsicherheitsassistenten haben nur Teilzeitverträge und beziehen damit so niedrige Gehälter, dass diese vom Staat aufgestockt werden. Auch hiergegen wendet sich die Gewerkschaft.

Ihre Forderungen sind im Grundsatz durchaus nachvollziehbar, die Methoden zu ihrer Durchsetzung hingegen nicht. Wer - wie im Januar geschehen - an einem Freitag unangekündigt streiken lässt, handelt ohne jede Rücksicht auf die Fluggäste. Deren Wut bekommen Beschäftigte des Flughafens zu spüren, die von eventuell erstrittenen Verbesserungen gar nicht profitieren würden. Auch das hat mit Solidarität nichts zu tun.

Die aktuellen Flughafenstreiks unterscheiden sich aber noch in einer weiteren Hinsicht von früheren Aktionen in der Luftfahrt. Denn den jetzigen Arbeitskampf dürfte es eigentlich gar nicht geben. Bis Mitte der 1990er-Jahre wurden die Passagiere ausschließlich von Beamten der Bundespolizei kontrolliert. Aus Kostengründen hat man dies an private Dienstleister delegiert. Das war einige Jahre vor dem 11. September 2001. Laut Gesetz aber ist die Sicherheitskontrolle an den Flughäfen noch immer eine hoheitliche Aufgabe. Vor diesem Hintergrund ist es ein Unding, dass sich der Bund nun aus der Verantwortung stiehlt und keine Beamten stellt, um die Folgen des Streiks für die Fluggäste wenigstens abzumildern. Der Standpunkt der Bundespolizei, man sei in der Tarifauseinandersetzung zur Neutralität verpflichtet, erscheint wenig überzeugend.

Es gilt jetzt, aus dem Chaos an den Flughäfen zu lernen. Sinnvoll könnte es sein, in diesem Bereich ein Schlichtungsverfahren vor einem möglichen Streik zur Pflicht zu machen. Sollten Flughäfen und Fluggesellschaften den Bund auf Schadenersatz verklagen, was sie derzeit prüfen, könnte das vernünftige Lösungen beschleunigen.