Weihnachten erinnert an große Not, doch wir finden Trost, Zuspruch und Hoffnung

Weihnachten kann wehtun. Machen wir uns nichts vor. Da kann man richtig einsam sein. Wie soll man das aushalten, wenn alle bei ihren Familien sind, und man selbst hat keine. Oder es gibt richtig Krach zu Hause, und man kann nicht mehr miteinander reden. Weihnachten gibt es oft Krach. Viel zu viel Erwartung, viel zu dicht aufeinander - von wegen Fest der Liebe.

Und doch: Weihnachten hält etwas dagegen. Für mich ist Weihnachten ein Fest des "Dennoch". Das fängt schon mit der Geschichte an, die da erzählt wird. Zwei junge Leute kommen in einen kleinen Ort, Maria und Josef, weit weg von ihrer Heimat, nachts. Gezwungen von ihrer Regierung, unfreiwillig auf Reisen, und Maria ist hochschwanger, das bedeutet damals Lebensgefahr für das Kind und für die Mutter. Beide wissen nicht, wo sie unterkommen werden. Sie sind ohne Obdach, ohne Schutz - der letzte Zufluchtsort ist ein Stall, schmutzig, ein echt schlechter Ort für eine Geburt. Und dann wird da ein Kind geboren, das die Welt verändert.

Wie sieht der Stall wohl heute aus? Für mich ist es zum Beispiel der Eingang vor dem Kaufhaus in der Mönckebergstraße in Hamburg, nachts, eine halbe Stunde nach Ladenschluss. Wenn sonst niemand mehr da ist, übernachten da Obdachlose im Winter. Mit ein ganz klein wenig Wärme aus der Abluft. Mit ein ganz klein wenig Schutz vor dem Regen. Gleich daneben, in den hell beleuchteten Schaufenstern, stapeln sich die Weihnachtsgeschenke, verschlossen und unerreichbar. Alles, was du brauchst - das ist wie Hohn.

Weihnachten, das eigentliche Weihnachten, hält dagegen. Weihnachten sagt: Wenn es so aussieht, als würde gar nichts mehr gehen, dann gibt es doch noch Hoffnung. Weihnachten ist Zuversicht.

Weihnachten erinnert an große Not. An ganz individuelle, einzelne Not, vor allem an die Not einer Frau: Maria. Dieses Fest sagt: Es kommt auf den Einzelnen an. Auf dich ganz persönlich. Es geht um jeden Einzelnen, und dann erst kommt das große Ganze.

Die Weihnachtsgeschichte zeigt uns aber auch, dass man etwas tun kann. Damals waren das ein paar Handgriffe: Sie wickelten das Kind in Windeln und legten es in eine Krippe. Ein paar kleine Schritte nur, nicht die große Lösung.

Weihnachten ist eine Einladung, einen kleinen Schritt zu tun. Mut zu schöpfen, einmal den Nachbarn anzusprechen, einen alten, lang vergessenen Bekannten anzurufen und das Gespräch zu suchen. Niemand ist je ganz allein. Es gibt Auswege aus der Not, aus der Einsamkeit und Obdachlosigkeit.

An Weihnachten kann man Gemeinschaft finden. Zum Beispiel im Gottesdienst. Vielleicht knüpft sich an diesen Besuch eine kleine Begegnung an. Vielleicht kommt eine Idee, wie es besser gehen könnte. Vielleicht weiß auch die Pfarrerin oder der Pfarrer Rat. Weihnachten heißt aber auch Obdach geben, Schutz und Ansprache für die, die scheinbar niemanden haben.

An Weihnachten finden wir Trost und Zuspruch. Einsame Menschen ohne Obdach, sie sind nicht vergessen. Flüchtende, Vertriebene, Heimatlose, sie alle dürfen Hoffnung haben.

Und Weihnachten ist schön für die, die das alles haben: Familie, Gesundheit, genügend Geld, Freunde und ein Dach über dem Kopf - ohne Streit an den Festtagen. Sie haben Grund zur Dankbarkeit.

Weihnachten ist aber vor allem das Fest für die, die das alles nicht haben. Ihnen soll Weihnachten nicht wehtun, sondern Zuversicht geben und Gewissheit, dass sie es sind, um die es geht.

Der Autor ist Präsident des Evangelischen Kirchentags 2013 in Hamburg