Nördlich des Brenners will niemand Silvio Berlusconi wiedersehen. Angela Merkel schon gar nicht!

Silvio Berlusconi ist ein genetisches Wunder. Sagt sein Leibarzt. Ein gewisser Signore Umberto Scapagnini. Und dieser Dottore lässt sich durch die ausfallenden Haare und kronenbedürftigen Zähne des 76-Jährigen auch gar nicht groß beirren. "Technisch", meint er, sei der Mann "nahezu unsterblich".

Technisch unsterblich! Normalerweise würde man angesichts eines solchen Befundes mit frohem Staunen reagieren, aber - das Gegenteil ist der Fall. Denn natürlich ist zu befürchten, dass Silvio Berlusconi nicht nur - wie in dieser Woche angekündigt - eine weitere Amtszeit als Ministerpräsident ins Auge gefasst, sondern den Blick noch viel weiter in die Zukunft gerichtet haben könnte. Frei nach Eros Ramazotti, der schon vor 20 Jahren sang: "C' è una strada in cielo lunga quanto un' eternità - Das ist eine Reise in den Himmel, lang wie eine Ewigkeit ..."

Für Nichtitaliener und weniger romantisch veranlagte Naturen ist das natürlich der Albtraum schlechthin. Sempre Berlusconi! Und das, nachdem man nun gerade geglaubt hatte, den italienischen "Supermann" (Silvio über Silvio) endlich losgeworden zu sein. Diesen "Cavaliere" (Berlusconi über Berlusconi), der nur drei Sachen im Kopf zu haben schien: Sex, Sex und noch mal Sex. Jedenfalls hatte man auf der europäischen Bühne vorher noch keinen Politiker erlebt, der Sätze losließ wie "Nach drei Stunden Schlaf habe ich genug Energie für drei Stunden Sex!" und dazu ein lüsternes Haifischlächeln anknipste.

Wie es in Italien selbst aussieht, weiß man nicht - die dortige Bevölkerung scheint von diesem Mann ja nicht genug kriegen zu können, immerhin hat man ihn schon viermal gewählt -, aber außerhalb ist man zurzeit sprachlos. Auch in Berlin. Wo Berlusconi auf der politischen Beliebtheitsskala unmittelbar hinter dem ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski rangierte, über den Angela Merkel nach dem ersten persönlichen Treffen gesagt haben soll: "Was für ein unangenehmer Mensch." Was einem Gefühlsausbruch erster Güte gleichkam.

Die Kanzlerin ist bekanntlich stoisch, aber in Sachen Berlusconi hat sie mal eine Ausnahme von ihrer Regel gemacht, Unverschämtheiten nicht zu kommentieren. Das war im Juli. Als der Cavaliere behauptete, zwischen ihm und Angela Merkel bestehe ein "sehr herzliches Verhältnis", ließ der Sprecher der Bundesregierung postwendend wissen, davon könne keine Rede sein. Und überhaupt hätten sich Merkel und Berlusconi seit dessen Rücktritt im November 2011 ja nicht mehr wiedergesehen.

Kleiner Einschub für alle, die es verpasst haben: Unmittelbar vor diesem Rücktritt hatte sich Berlusconi in einem Telefonat extrem vulgär über die Kanzlerin geäußert, und italienische Zeitungen hatten den Mitschnitt nach kurzem Zögern auch genüsslich bekannt gemacht. Merkel-Bashing ist in Zeiten der Euro-Krise ja eine beliebte Beschäftigung in den Ländern geworden, die einen Buhmann für ihre selbst verschuldeten Miseren brauchen.

Aber wir schweifen ab. Fassen wir lieber zusammen: Außerhalb von bella italia möchte niemand, absolut niemand, Silvio Berlusconis Rückkehr erleben!

Außerhalb Italiens fragt man sich natürlich auch, ob die Italiener Tomaten auf den Augen haben. Die sähen Berlusconi folgendermaßen, hat Beppe Severgnini in seinem 2011 erschienen Buch "Überleben mit Berlusconi" geschrieben: "Er liebt seine Kinder, erzählt von seiner Mutter, hat Ahnung vom Fußball, versteht es, Geld zu machen, schätzt schöne neue Häuser, verabscheut Regeln, erzählt Witze, flucht, schwärmt für Frauen, Feste und fröhliche Gesellschaften."

Donnerwetter. In der Medizin würde man von gestörter Wahrnehmung sprechen und Sofortmaßnahmen ergreifen. Immerhin ist Silvio Berlusconi der Mann, der ein Pin-up-Girl zur Frauenministerin ernannte! So eine Gestalt kann man beim besten Willen nicht mehr durch Goethes "Augenglas der Liebe" betrachten. Jedenfalls nicht nördlich des Brenners!