Alarmbrief der Schulen muss Senat zum Handeln zwingen

Wilhelmsburg, Hamburgs lange sich selbst überlassener Stadtteil, putzt sich raus, macht sich hübsch für die Internationale Bauausstellung im kommenden Jahr. Es gibt Politiker, die mit der Macht der Suggestion die Elbinsel zum Trendviertel aufpumpen wollen. Günstige Mieten inklusive.

Doch nun das: Die Schulleiter der 14 staatlichen Schulen in Wilhelmsburg und auf der Veddel zeichnen in einem Brandbrief ein ungeschminktes Bild von der Wirklichkeit in ihren Klassenräumen. Es kommt einer Kapitulationserklärung gleich, wenn die Pädagogen sagen, trotz aller Unterstützung seitens der Politik in den zurückliegenden Jahren, trotz der vielen guten Konzepte und Projekte bleibe es dabei: Die Leistungen der Elbinselschüler sind im Landesvergleich weit unterdurchschnittlich.

Es ist ein Brief ohne Larmoyanz und die üblichen Schuldzuweisungen, dafür klar in der Analyse. Von den bis zu 90 Prozent Schülern mit Migrationsgeschichte beherrscht ein sehr hoher Anteil die deutsche Sprache nicht. Dieses Defizit bei der Einschulung - und das ist der schlimmste Befund - kann später nicht mehr aufgeholt werden. Viele Jungen und Mädchen würden durch das System Schule geschleust, ohne später je eine Chance auf einen Ausbildungsplatz und einen sicheren Job zu haben.

Schulsenator Ties Rabe (SPD) kann jetzt gleich eine zweite Arbeitsgruppe einrichten - eine erste zur Weiterentwicklung der Stadtteilschule hat gerade ihre Arbeit aufgenommen. Gefragt sind kurz- und langfristige Strategien, um die Vergleichbarkeit der Schülerleistungen zwischen Wilhelmsburg und den übrigen Stadtteilen wiederherzustellen. Es müssen junge, engagierte Pädagogen ermuntert werden - vielleicht auch durch materielle Anreize -, einen Teil ihrer Berufszeit in einem solchen Problemstadtteil zu unterrichten.

Und: Wenn es stimmt, dass viele Kinder schon verloren haben, wenn sie eingeschult werden, dann muss die Förderung eben noch früher ansetzen als jetzt schon. Es gibt auch hoffnungsvolle Ansätze zur Nachahmung: Dazu zählt die Kooperation zwischen der Aurubis-Kupferhütte und der Schule Slomanstieg auf der Veddel.